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Die Frau hinter der Seemannskirche Prerow

Von Berlin aus leitet Susan Knoll den Förderverein der Seemannskirche in Prerow auf dem Darß – und ist dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.

Susan Knoll mit dem Taufengel, den der Verein sanieren half
Susan Knoll mit dem Taufengel, den der Verein sanieren halfFörderverein Seemannskirche

Mit einem Zeitungsartikel fängt alles an. Anfang der 2000-er Jahre liest Susan Knoll aus Berlin einen Artikel mit der Überschrift „Stille Tage auf dem Darß“ und sagt zu ihrem damaligen Lebensgefährten: „Stille kann ich gut gebrauchen, da möchte ich mal hinfahren.“ Aus dem ersten Aufenthalt entwickelt sich schon bald eine Liebe für die Vorpommersche Boddenlandschaft. 2004 kauft das Paar eine Doppelhaushälfte in Wieck auf dem Darß und entscheidet sich kurze Zeit später, zu heiraten. „Ich komme aus einer christlichen Familie und für mich war klar: Ich wollte kirchlich heiraten.“ Nachdem der Pfarrer aus ihrer Heimatgemeinde im Bergischen Land das Paar aber nicht trauen wollte – mit der Begründung, Knolls Mann sei nicht in der Kirche – kommt der Kontakt zum damaligen Pastor in Prerow, Reinhard Witte, zustande.

Er ist es auch, der einige Zeit später bei Susan Knoll anruft, um sie zu fragen, ob sie den Vereinsvorsitz des Fördervereins übernehmen wolle. „Meine erste Frage war: Was muss man da tun?“, erinnert sie sich. Doch ohne lange zu zögern übernimmt sie 2014 den Vorsitz des Vereins, der damals 35 Mitglieder zählte. „Heute sind es knapp 400 Mitglieder aus ganz Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz“, sagt sie nicht ohne Stolz und fügt mit einem Lachen hinzu: „Wir haben alle unsere Freunde zwangsrekrutiert.“

Rund 50.000 Menschen jährlich besuchen die Seemannskirche

Aber natürlich seien auch viele Einheimische dazu gekommen, auch wenn der eine oder die andere – so vermutet Susan Knoll – zu Anfang etwas skeptisch gewesen sei, was die temperamentvolle und wortgewandte Frau aus Berlin mit der Kirche vorhabe. „Aber wenn die Menschen sehen, dass Du ehrlich und glaubwürdig bist, dann gibt sich die anfängliche Zurückhaltung schnell.“

Zweck des überkonfessionellen Vereins ist der bauliche Erhalt, die behutsame Erneuerung und Ergänzung der denkmalgeschützten Seemannskirche in Prerow und ihres Inventars. Von rund 50.000 Gästen wird sie jährlich besucht. Die notwendigen Mittel für den Erhalt werden über Mitgliedsbeiträge und Spenden, vor allem aber über Veranstaltungen generiert, die der Verein organisiert. Insgesamt habe er in den zurückliegenden Jahren über 600.000 Euro sammeln können, freut sich Knoll, die beruflich Verlagsleiterin in der Bundeshauptstadt ist.

Gefreut habe sie sich auch, als sie im vergangenen Jahr unverhofft einen Brief von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus ihrem Briefkasten fischte: Sie solle mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet werden. Für „ihren wertvollen Beitrag zum Erhalt der Seemannskirche Prerow und ihren Einsatz für ein kulturelles und gesellschaftliches Miteinander“, wie es bei der Ehrung in Schwerin hieß.
„Das war wirklich eine Ehre und Freude für mich“, sagt sie. „Aber ich sehe in dieser Auszeichnung auch sehr, sehr viele weitere Menschen geehrt.“ Ohne den Vorstand des Fördervereins, ohne die fast 400 tatkräftig mithelfenden Vereinsmitglieder und vor allem ohne ihren Mann wäre der Erfolg niemals denkbar gewesen.

Veranstaltungen in der Seemannskirche ziehen Tausende an

Mehrere Veranstaltungen stehen jährlich auf dem Programm des Kirchenfördervereins, in diesem Jahr sieben. Dazu gehört traditionell ein Benefiz-Cellokonzert zu Pfingsten, gespielt vom Solocellisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden, Uwe Kroggel. Außerdem das traditionelle Seemannskirchenfest, seit 27 Jahren immer am zweiten Sonntag im August, mit inzwischen tausenden Besuchern. Es folgt immer um den Tag der Deutschen Einheit seit elf Jahren ein Benefizkonzert mit dem Sänger Dirk Michaelis.

Weitere Höhepunkte sind Anfang Dezember das Lucia-Fest mit einem Chor aus Schweden, immer am 22. Dezember ein großes Weihnachtssingen mit ehemaligen Sängern des Dresdner Kreuzchores und am 30. Dezember der traditionelle Wintermarkt vor der Kirche mit ebenfalls tausenden Besuchern. „Da haben wir vor einigen Jahren mit einem Stand angefangen, Ende letzten Jahres waren es allein sieben Vereinsstände und 20 Händlerstände.“ Dabei werde von den Händlern keine Standgebühr verlangt, „wir bitten stattdessen um den biblischen Zehnten ihrer Einnahmen“, erzählt Susan Knoll.

Insgesamt würden sie gut damit fahren, bei Geldzuwendungen auf Freiwilligkeit zu setzen. Bei Veranstaltungen gebe es immer kulinarische Angebote zu fairen Preisen, „das ist Essen und Trinken für einen guten Zweck – da darf man sich nicht schonen“, sagt die 64-Jährige und verweist darauf, dass viele Spenden auch von Nicht-Kirchenmitgliedern eingehen. „Manche Leute sagen: Ich habe Probleme mit dem kirchlichen Bodenpersonal, deshalb bekommt ihr meine nicht-gezahlten Kirchensteuern.“

Die größte Sammlung von Kapitäns-Grabsteinen

Seit 2014 habe der Verein unter anderem die Sanierung des hölzernen Kirchturms, die Trockenlegung des Gebäudes, die Intonation der Orgel, die Sanierung des barocken Altars und des barocken Taufbeckens, die Sanierung eines gefundenen Engels und des Gestühls, der Gemälde, Schiffe und der Sa­kristei unterstützen können.

Gegenwärtig steht die Sanierung der rund um die Kirche stehenden 32 historischen Grabsteine im Zentrum der Vereinsaktivitäten. Diese im deutschen Ostseeraum größte Sammlung historischer Seefahrer- und Kapitänsgrabsteine soll als Kulturgut gerettet und mit Spendenmitteln in sechsstelliger Höhe erhalten werden, umschreibt Susan Knoll. Mit der Unterbringung in einem Lapidarium soll ein Teil der Steine dauerhaft geschützt und zugleich ein weiterer touristischer Magnet geschaffen werden. Die Fertigstellung ist für 2026 angepeilt, „pünktlich zum 300. Gründungsjahr der Seemannskirche Prerow“.

Auch Prerows Gemeindepastorin Ines Dobbe freut sich über die Arbeit des „sehr engagierten Vereins“. Gerade die Sanierung der Grabsteine habe die Kirchengemeinde mit Blick auf die Kosten „mit langen Zähnen angefasst“. Dass der Förderverein so viele Projekte unterstütze, „das treibt den Kirchengemeinderat auch an“. Schön sei zudem, dass der Verein auch Menschen erreiche, die nicht in der Kirche sind. „Frau Knoll und ihre Mitstreiter spielen auf einer Klaviatur, die ist schon groß.“ Die Kirchengemeinde könne froh sein, mit den Fördervereinen in Born, Ahrenshoop und Prerow so viel Unterstützung zu erfahren.

Ehrenamt, gleich in welchem gesellschaftlichen Bereich, sei eine wichtige Stütze für das Bundesland, „Der Staat kann nicht alles leisten“, ist Susan Knoll überzeugt – und verrät am Schluss, dass das Bundesverdienstkreuz für sie auch eine sehr persönliche Bedeutung hat. „Meine Großmutter hat es bekommen, mein Vater hat es bekommen – es freut mich schon, dass ich diese kleine Reihe fortsetzen darf.“