High-Tec-Unternehmer Vincent sieht es endlich ein: Er braucht eine Pause vom Hochleistungsleben. Doch der wortkarge Eigenbrötler Pierre macht es ihm nicht leicht. Drama und Komödie vor romantischer Bergkulisse.
Plötzlich steht der Manager da wie der Ochs vorm Berg. Mitten auf dem Pass in den französischen Alpen bleibt Vincent Delcourts Auto liegen, das Handy hat keinen Empfang, und sonderlich befahren ist die Straße offenbar auch nicht. Zum Glück für den Technologieunternehmer ist dann doch ein Motorradfahrer auf demselben Weg unterwegs und nimmt Delcourt mit, wenn auch mit großem Widerwillen.
Der weicht auch nicht, als sie den Hof des Helfers in der Not erreicht haben, abgeschieden, hoch in den Bergen, auf Selbstversorgung ausgerichtet und laut seinem Besitzer ohne Telefonanschluss und ähnliche Zumutungen der modernen Welt. Gäste sind sichtlich nicht erwünscht, doch beherzigt Pierre gleichwohl die Pflichten eines Gastgebers. So tischt er Delcourt ein selbstgemachtes Omelett auf und fährt ihn hinunter ins Tal. Weiteren Kontakt mit diesem Großkapitalisten lehnt der Bergbewohner jedoch brüsk ab.
Doch der agile Dauerplauderer und der brummige Einzelgänger begegnen sich wieder. Regisseur Eric Besnard macht schon zum Auftakt von “Die einfachen Dinge” unmissverständlich deutlich, wie entgegengesetzt die Charaktere und Lebensweisen seiner beiden Hauptfiguren sind: Auf der einen Seite der permanent unter Strom stehende Manager, der beständig redet, sich auf Höflichkeitsformen aber immer erst besinnen muss; auf der anderen der naturnahe Eigenbrötler mit Schlapphut und weitem Mantel, der allenfalls Satzbrocken fallen lässt und eigentlich nur seine Ruhe haben will.
Dass ihm dieser Wunsch nicht erfüllt wird, ist absehbar, und tatsächlich steht Vincent Delcourt sehr bald schon wieder vor seiner Hütte. Der Geschäftsmann hat eine Panikattacke erlitten und bittet darum, bei Pierre ein paar Tage ausspannen zu können. Dieser stellt ihm, bereits sichtlich entnervt, einen kleinen Schuppen noch weiter oben am Berg zur Verfügung. Überfordert ist Delcourt jedoch mit der Aussicht, ganz allein zu sein, so dass er Pierre auf Schritt und Tritt zu folgen beginnt. Der zeigt seine Abneigung unverhüllt, doch Delcourt bleibt hartnäckig – und nicht (nur) aus Arroganz.
Denn Besnard widerspricht bald der Vermutung, die beiden so unterschiedlichen Männer seien sich nur zufällig über den Weg gelaufen. Weder der Geschäftsmann noch der Zivilisationsflüchtling sind tatsächlich das, was sie zu sein scheinen: Beide spielen der Welt etwas vor und sind – wenigstens teilweise – diesen Täuschungen auch selbst erlegen.
Besnards Absicht, seine Figuren komplexer zu gestalten, als es das Sujet nahelegen würde, ist im Prinzip lobenswert, in der praktischen Umsetzung wird sie jedoch zur Bürde des Films. Denn je mehr man über Vincent Delcourt und Pierre Vernant erfährt, umso unwahrscheinlicher wird das Szenario. Da stehen sich dann irgendwann ein gar nicht so menschenfeindlicher Gelehrter und ein Philanthrop mit überzogenem Glauben an seine Überredungskünste gegenüber, wählen aber weiterhin die kompliziertesten Wege des Kontakts. Währenddessen verliert das ewige Spiel von Aufdringlichkeit und Genervtheit auf Dauer seinen Unterhaltungswert.
Mehr und mehr zeigt sich, dass Besnard seinen Film nicht recht im Griff hat. Er überfrachtet die Geschichte mit dramatischen Ereignissen und Enthüllungen, unter denen auch die unvermeidliche Liebesgeschichte nicht fehlen darf. Dabei können sogar zwei Darsteller wie Lambert Wilson und Gregory Gadebois nicht jeden Widerspruch bei diesen Charakteren glaubhaft machen. Auch gehen sie in dem, was sie zeigen dürfen, kaum über frühere Rollen hinaus – was insbesondere bei Gadebois frappant ist, der eine ähnlich grummelige, insgeheim gutmütige Figur bereits in Besnards weitaus gelungenerem Vorgängerfilm “A la Carte!” als Koch unmittelbar vor der Französischen Revolution spielte.
So patent das Zusammenspiel der beiden Schauspieler ist und so sympathisch man das Plädoyer für Gelassenheit und Entspannung finden möchte: Am Ende ist “Die einfachen Dinge” recht ernüchternd. Denn konnte man zwischenzeitlich glauben, dass Delcourt und Vernant gemeinsam womöglich sogar zum Wohl der ganzen Menschheit beitragen würden, dient ihre wachsende Freundschaft schlussendlich doch nur einer Erfüllung privater Träume.