Die Bibel lesen

Woche vom 23. bis 29. Oktober

Sonntag:    Psalm 38
Montag:     Offenbarung 13, 11-18
Dienstag:     Offenbarung 14, 1-5
Mittwoch:     Offenbarung 14, 6-13
Donnerstag:     Offenbarung 14, 14-20
Freitag:     Offenbarung 15, 1-4
Samstag:     Offenbarung 15, 5-8

Reißt man Textabschnitte aus ihrem Zusammenhang, werden sie miss- oder gar unverständlich. Das gilt sicher für die Kapitel 13,11-15,8 der Offenbarung. Rätselhafte Zahlen wie 666 und das Tier mit den zwei Hörnern, das spricht wie ein Drache, passen gut in einen Fantasyroman. Warum wird der Fall einer Großstadt wie Babylon gefeiert und mit unerträglich brutalen Bildern verbunden wie die Blutkelter, die gut in Horrorfilme passen? Liest man Kapitel 13,11-15,8 nicht als Teil der Komposition der Johannesapokalypse (Apk), wird aus dem zuversichtlichen Trostbuch ein rätselhaftes, an Sadismus grenzendes Horrorbuch.

Die Apk thematisiert die vielfältigen Bedrückungslagen, die auch nach der Auferweckung des gekreuzigten Jesus nicht aufgehört haben. Sie stellt die Theodizeefrage (die Frage nach dem Leid in der Welt und der Rolle Gottes darin, d. Red.) und beantwortet sie in Verbindung mit Schriften Israels. Sie kombiniert Schöpfungs- und Gerichtstheologie. Sie feiert in 15,4, dass Gottes „Rechtsansprüche offenkundig wurden“ (Übers. Alkier, Paulsen, FNT 1). Sie verkündet die frohe Botschaft, dass nach den Ankündigungen des Gerichts durch die sieben Siegel und die sieben Posaunen der Schöpfer sein Gericht halten wird, weil all das Leid und Unrecht, das Geschöpfe Gottes anderen Geschöpfen Gottes antun, nicht unter den Teppich gekehrt, sondern enthüllt – das ist die biblische Bedeutung von „Apokalypse“ – offenkundig wird, bevor der Schöpfer einen Neuen Himmel und eine Neue Erde schafft, die Lebensraum für alle Völkerschaften und Kulturen sein wird. „Schwamm drüber“ ist keine biblische Perspektive, weil mit dem Vergessen der Opfer diese nochmals zu Opfern würden und Gott selbst zum Mittäter würde, der seinen Rechtsanspruch nicht wahrnähme.

Eine solche Enthüllung ist auch die Machtkritik, die die Apk mit der intertextuellen Neukomposition der „Hure Babylon“ zur Sprache bringt. Im  AT wird stets Jerusalem als Hure bezeichnet, die sich mit anderen Göttern einlässt, nicht aber Babylon. In der Rede von der „Hure Babylon“ verschmelzen nicht nur Jerusalem und Babylon, sondern alle imperialen Machtzentren mit ihren ausbeuterischen rechtlichen und wirtschaftlichen Unrechtsstrukturen, als Gott nachäffende Machtzentren, die nur an der Maximierung des eigenen Luxus, der eigenen Lust, der eigenen Macht und Willkür interessiert sind. Die gute Nachricht bleibt: Gottes Rechtsspruch wird diese unheilbringenden Machtzentren zu Fall bringen, heißen sie nun Babylon, Rom, Berlin, New York, Peking oder Moskau. Gott wird sein Recht sprechen und damit das Unrecht dieser Welt beenden. Und wenn Sie wissen wollen, zu welchem Menschen die Zahl 666 in der Bibel gehört, dann lesen Sie doch mal 1. Könige oder 2. Chronik.