Die Bibel lesen

Woche vom 16. bis 22. Oktober

Sonntag:    Psalm 1
Montag:     Offenbarung 1, 1-8
Dienstag:     Offenbarung 1, 9-20
Mittwoch:     Offenbarung 12, 1-6
Donnerstag:     Offenbarung 12, 7-12
Freitag:     Offenbarung 12, 13-18
Samstag:     Offenbarung 13, 1-10

Die Offenbarung des Johannes, auch Johannesapokalypse genannt, ist ein theologisches und poetisches Meisterwerk. Sie wurde von jemandem verfasst, der die griechische Sprache so herausragend beherrschte, dass er mit ihr spielen konnte. Vor allem, wenn von Gott die Rede ist, signalisieren eklatante, kalkulierte Grammatikfehler, dass menschliche Sprache Gott nicht fassen kann. Wird aber von menschlichen Bereichen gesprochen, findet sich stets korrektes Griechisch.

Die Johannesoffenbarung ist ein Buch voller Zuversicht. Angesichts von verschiedenen Konfliktlagen und heftigem Streit innerhalb der Versammlungen im Namen Jesu Christi, wie sie die Sendschreiben in den Kapiteln 2-3 thematisieren, steht der Zuspruch, dass alle, die Gott selbst und die Gottestreue des hingerichteten und von Gott auferweckten und zum Kyrios erhobenen Jesus mit ihrer ganzen Lebensweise bezeugen, Einzug  in die am Ende des Buches beschriebene himmlische Stadt erhalten werden. Dort werden sie so unmittelbar mit Gott und seinem Christus in einer alle Völker einbeziehenden Gemeinschaft leben, die selbst die Gottesnähe von Adam und Eva im Paradies überragen wird.

Die Johannesoffenbarung ist also ein Buch der Zuversicht angesichts realer Bedrückungen und Problemlagen (gr. thlípsis) und keineswegs ein apokalyptisches Katastrophenbuch. Die Öffnung der sieben Siegel und das Blasen der sieben Posaunen, wie sie in den Kapiteln 6-11 als Ankündigung des Gerichts Gottes beschrieben werden, räumen allen Zeit zum Umdenken (gr. metánoia) ein, selbst dann noch, wenn Gottes Gericht unmittelbar bevorsteht, also erst recht jetzt, wo dem Seher – und damit auch uns – offengelegt wird, dass dieses Gericht kommen wird, um vor der Neuen Schöpfung das Böse und den Tod aus der Welt zu schaffen.

Die Johannesoffenbarung wurde erst seit Martin Luthers Septemberbibel (1522) als Katastrophenbuch mit sieben Siegeln missverstanden. Noch Albrecht Dürer pries sie wenige Jahre zuvor mit seinem Bilderzyklus zur Johannesoffenbarung als Buch der Hoffnung schlechthin. Wegen dieser unüberbietbaren Hoffnungsperspektive wurde sie in den Kanon nicht nur eingefügt, sondern als poetischer Schluss platziert, der die große Geschichte, die die Bibel erzählt, voller Zuversicht mehr als gut enden lässt.

Übrigens: Überall, wo in der Lutherbibel das Wort „Offenbarung“ steht, steht in der griechischen Vorlage apokálypsis, was wörtlich „Enthüllung“ heißt (vgl. Alkier, Paulsen FNT1). Wer hören möchte, wie die Enthüllung des Johannes  klingt, gebe auf youtube „Frankfurter Neues Testament“ ein. Dort wird sie in neun Videos von dem großartigen Schauspieler Peter Schröder vorgetragen.