Die Bibel lesen

Woche vom 7. bis 13. August

Sonntag:    Psalm 48
Montag:     Johannes 9, 24-34
Dienstag:     Johannes 9, 35-41
Mittwoch:     Johannes 10, 1-10
Donnerstag:     Johannes 10, 11-21
Freitag:     Johannes 10, 22-30
Samstag:     Johannes 10, 31-42

Nicht alle lieben Jesu poetische Ader, die ihn in den drei synoptischen Evangelien in Vergleichen (griechisch: parabolé; Übersetzung FNT 2) und im Johannesevangelium in Dichtsprüchen (griechisch: paroimía, vergleiche Johannes 10, 6.24, FNT 3) reden lässt. Ist auch nicht einfach zu verstehen, wenn jemand von sich selbst behauptet: „Ich bin die Tür.“ (Johannes 10,9a).

 Im Johannesevangelium stiftet Jesus mit seinen Dichtsprüchen viel Verwirrung und erntet häufig Unverständnis. So sind die Judäer, die unter sich über Jesus in einen Zwiespalt geraten, sehr genervt von Jesus, weil er nicht Klartext, sondern in diesen Dichtsprüchen zu ihnen spricht. Sie fordern ihn deshalb auf: „Wenn du der Gesalbte bist, sag es uns in Deutlichkeit.“ (Johannes 10, 24b, FNT 3).

Und wie reagiert Jesus? Mit einem Zitat aus Psalm 82,6 und einer herausfordernden Auslegung: Nachdem ihm der Vorwurf gemacht wurde, er mache sich selbst zu Gott, antwortet er: „Ist nicht geschrieben in eurem Gesetz: ‚Ich habe gesagt: Götter seid ihr‘? Wenn es jene Götter nannte, an die das Wort Gottes wurde – und nicht kann die Schrift aufgelöst werden –, das der Vater heiligte und in die Welt entsandte, sagt ihr: ,Du redest schädlich‘, weil ich gesagt habe: ‚Sohn Gottes bin ich‘? Wenn ich nicht die Werke meines Vaters tue, vertraut mir nicht! Wenn ich sie aber tue und wenn ihr mir nicht vertraut, vertraut den Werken, damit ihr erkennt und Kenntnis habt, dass in mir der Vater und ich im Vater.“ (Johannes 10,34-38, FNT 3).

Also wie soll man das verstehen? Ist es gar nichts Besonderes, wenn Jesus als Sohn Gottes bezeichnet wird, weil alle Söhne und Töchter Gottes sind, an die sich das Wort Gottes richtet? Also jeder Gottesdienstbesucher ist ein Sohn Gottes, jede Gottesdienstbesucherin eine Tochter Gottes? Und was ist Jesus als Sohn Gottes dann schon Besonderes? Ach ja, die Tür. Hmm, echt schwierig…

Das Johannesevangelium und auch die anderen biblischen Schriften muten ihren Lesern viel zu. Keineswegs ist das Literatur von Bildungsfernen, sondern poetisch und theologisch durchdachte Weltliteratur – Literatur für alle Welt. Doch wenn auch viele Texte wie etwa Johannes 10 schwer zu verstehen sind, so ist die Botschaft doch einfach und klar: Vertraut auf Gott!

 Zu schwierig? Na, dann schaut auf den Türöffner Gottes, erzählt seine Geschichte, vertraut auf Jesu Gottvertrauen – und dann werdet ihr neu verstehen und Gott, die Welt, euch selbst und die anderen mit dem liebevollen Blick Gottes sehen – dann seid auch ihr Götter. Und wem das zu dick aufgetragen ist, der lese nicht nur Psalm 82, sondern auch 1. Mose 1.

Stefan Alkier ist Professor für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche am Fachbereich evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.