Die Bibel lesen
Woche vom 21. bis 27. Februar
Sonntag: Psalm 10
Montag: Lukas 10, 17-24
Dienstag: Lukas 10, 25-37
Mittwoch: Lukas 10, 38-42
Donnerstag: Lukas 11, 1-4
Freitag: Lukas 11, 5-13
Samstag: Lukas 11, 14-28
Es verblüfft, dass die Lutherübersetzung Lukas 11,1-4 mit „Vaterunser“ überschreibt. Denn das Gebet, das Jesus lehrt, beginnt lediglich mit: „Vater!“ Das weist auf den Anfang der Bibellese zurück: Sie beginnt mit der Rückkehr der 72 Ausgesandten und dem Bericht ihrer Macht über die Kräfte des Bösen. Jesus reagiert voller Freude: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde … Alles ist mir übergeben worden von meinem Vater, und niemand weiß, wer der Sohn ist, außer der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, außer dem Sohn und wem es der Sohn enthüllen will“ (10,21.22). Vater und Sohn bilden eine dichte Beziehung, in der Jesus sich selbst verortet.
Aber „Sohn“ weist auch über ihn hinaus: „Israel ist mein erstgeborener Sohn“ (2. Mose 4,22). Wer Gott und wer sein Kind ist, wird hier im Rahmen der besonderen Beziehung des Bundes zwischen Gott und seinem Volk messianisch erschlossen. Die Schülerschaft Jesu ist miteinbezogen: „Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“ (10,20). „Himmel“ ist oft ein Ersatzwort für Gott: Gott hat seine Kinder in das „Buch des Bundes“ (2. Mose 24,7) eingetragen, also in die offene Gemeinschaft derer, die „das Wort Gottes hören und einhalten“ (11,28).
Im Zentrum der Bundesbeziehung steht das gesamtbiblische Doppelgebot der Liebe: Gott und den Nächsten lieben (10,25–28). Die Erzählung vom barmherzigen Samariter antwortet auf die Frage, wie das Liebesgebot gelesen werden soll: Es kommt nicht darauf an, wer dein Nächster ist, sondern wie du anderen zum Nächsten wirst. Das ist so aktuell wie die Episode mit den Schwestern Maria und Martha, die Frauen dazu ermutigt, sich von ihrer patriarchal geprägten Identifikation mit der „dienenden“ Rolle zu befreien.
Indem das lukanische Lehrgebet Jesu das „Dein Wille geschehe“ (Matthäus 6,10) auslässt, fällt die Betonung auf: „Dein Name werde geheiligt“ (11,2). In der Erzählung vom bittenden Freund veranlasst Jesus die Schülerschaft, Gott notfalls mit unverschämtem Drängen beim Erfüllen seines Namens zu behaften: „Ich werde für euch da sein“ (vergleiche 2. Mose 3,1–15). Demgemäß wird Gott der Bitte um den Heiligen Geist, um seinen Lebensatem als Lebenskraft zum Guten, nachkommen.
So in das Kraftfeld der Vater-Sohn-Beziehung eingepflanzt kann Jesus sich der Auseinandersetzung mit den Kräften des Bösen neu stellen. Missverständnisse und die Rückkehr des Bösen bleiben eine Herausforderung, aber wenn er „durch den Finger Gottes“ (11,20) unsere Dämonen austreibt, dürfen wir darauf hoffen, dass Gott sich als der Stärkere erweisen wird.
• Dr. Jisk Steetskamp, Pfarrer i. R., ist beteiligt an der Forschung am Fachbereich Neues Testament der Universität Frankfurt am Main.