Artikel teilen:

Die Bibel lesen

Woche vom 20. bis 26. Dezember

Sonntag:    Psalm 130
Montag:     Lukas 1, 26-38
Dienstag:     Lukas 1, 39-56
Mittwoch:     Lukas 1, 57-66
Donnerstag:     Lukas 1, 67-80
Freitag:     Lukas 2, 1-14
Samstag:     Lukas 2, 15-20

Eine Zumutung! Es haben schon viele unternommen, Bericht zu geben von den Geschichten, die sich unter uns erfüllt haben. Und jetzt beginnt Lukas noch einmal von vorn mit dem Erzählen, berichtet alles nochmal in richtiger Ordnung, von Anfang an und wohlgeordnet.

Und noch eine Zumutung: Zwei Kapitel aus dem Lukas­evangelium sind Grundlage der Bibellese in dieser Woche, nicht ein paar Verse, sondern mehr als hundert. Nicht irgendwelche Texte, sondern äußerst wirkmächtige wie der Lobgesang der Maria/Magnificat (Lukas 1,46-55), der Lobgesang des Zacharias/Benedictus (Lukas 1,67-79) und natürlich die lukanische Weihnachtsgeschichte (Lukas 2,1-20).

Und schließlich sind diese Texte selbst eine Zumutung. Alleine schon die beiden Lobgesänge anlässlich der Geburtsverheißung an Maria und nach der Geburt des Sohnes von Zacharias. Die beiden Geburts-Loblieder muten unserer „Ach wie süß“-Rhetorik beim Anblick Neugeborener und unserer „Holder Knabe im lockigen Haar“-Lyrik an Weihnachten viel zu: große Theologie und politischen Realismus. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. / Er übt Gewalt mit seinem Arm / Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen / Dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen / Das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes. Maria und Zacharias singen – wie die Psalmbetenden, wie Mose und Miriam im Alten Testament, und sie singen mit gutem Grund: Meine Seele erhebt den Herrn, denn… Für die Singenden in Lukas 1 zeigt sich schon in der Geburt der Kinder die ganze Größe Gottes mit den Verheißungen aus der Vergangenheit und an die Zukunft.

Und dann die Weihnachtsgeschichte, in einem Jahr, in dem einige denken, es sei das schwierigste Weihnachten aller Zeiten – Lukas würde wohl schmunzelnd den Kopf schütteln. Es begab sich aber zu der Zeit… Denn euch ist heute der Heiland geboren. Nehmen Sie diese Bibellese ruhig zum Anlass, den Text zweimal zu lesen: Einmal mit dem vertrauten Klang der Lutherübersetzung, die vermutlich wie keine andere das „Jetzt ist Weihnachten“-Gefühl auslöst. Lesen Sie den Text aber unbedingt auch in einer anderen Übersetzung, die die vielfältigen Zumutungen dieser Geschichte noch einmal neu vor Augen führt.

Lukas fängt noch einmal neu an, die große Geschichte zu erzählen und er schenkt den Menschen die größte Geschichte aller Zeiten – irgendwo am Rande des Römischen Reiches im 1. Jahrhundert und hier zum Weihnachtsfest 2020.

Dr. Michael Schneider ist Leiter des Dekanats und Dozent für Neues Testament, Liturgik und Hymnologie am Fachbereich Evangelische Theologie Universität Frankfurt am Main.