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Die Bibel lesen

Woche vom 15. bis 21. November

Sonntag:    Psalm 137
Montag:     Klagelieder 1, 1-22
Dienstag:     Klagelieder 3, 1-33
Mittwoch:     Klagelieder 3, 34-66
Donnerstag:     Klagelieder 5, 1-22
Freitag:     2. Petrus 1, 1-11
Samstag:    2. Petrus 1, 12-21

Sucht man in der hebräischen Bibel nach den Klageliedern, so findet man sie dort nicht im Anschluss an das Buch Jeremia. Sie stehen bei den „Schriften“, zu denen zum Beispiel auch die Psalmen gehören. Das Judentum kennt die „Fünf Festrollen“, die Rut, das Hohelied, Prediger, Ester und eben die Klagelieder umfassen. Jede Festrolle ist einem jüdischen Fest oder Gedenktag zugeordnet. Aus den Klageliedern wird am 9. Ab, dem Gedenktag der Zerstörung Jerusalems, gelesen. Auf Hebräisch beginnen die fünf Klagelieder mit dem Wort „Ach!“, und das ist auch ihre Überschrift in der hebräischen Bibel.

Der Titel „Klagelieder Jeremias“ ist nicht ursprünglich, er findet sich aber schon in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes. Vermutlich haben die Klage um Jerusalem und vielleicht auch die Nähe zu den Konfessionen Jeremias dazu geführt, diese fünf Texte dem Propheten zuzuschreiben. Oft wird auch 2. Chronik 35,25 als Hinweis herangezogen: „Und Jeremia hielt die Klage über Josia, und alle Sänger und Sängerinnen sangen in ihren Klageliedern über Josia bis auf diesen Tag, und das wurde zum festen Brauch in Israel. Siehe, sie stehen geschrieben unter den Klageliedern“.

Der tatsächliche Autor ist wie bei den Psalmen unbekannt, ihre gottesdienstliche Verwendung aber wahrscheinlich. Sie sind kunstvoll komponiert. Sie haben das Versmaß der Totenklage. Außerdem legen alle Lieder das hebräische Alphabet zugrunde: Jeweils ein Vers oder auch mehrere beginnen mit einem Buchstaben des Alphabets, dann folgt der nächste, ähnlich wie in Psalm 119. Sie stammen vermutlich aus der Zeit des babylonischen Exils. Manche Ausleger gehen davon aus, dass sie in Jerusalem abgefasst und gesammelt wurden, aber sehr viel Genaueres ist über sie nicht herauszubekommen.

Vielleicht ist das auch gar nicht nötig, denn wie die Psalmen auch sprechen sie über ihre eigentliche Entstehungssituation hinaus Menschen direkt an. Zwischen ihren Zeilen ist zu allen Zeiten Raum für Klage, Bitte, für das Warten, für die Zuflucht bei Gott. In der katholischen Kirche gehören sie seit Jahrhunderten zu den Gesängen der Karwoche. Den Anfang des ersten Liedes hat der Dresdner Kantor Rudolf Mauersberger der Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ zugrunde gelegt, die er 1945 unter dem Eindruck der Zerstörung Dresdens schrieb.

Und seit Generationen haben sich gerade die Passagen der Klagelieder eingeprägt, die das Vertrauen auf Gott stärken: „Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß“ (3,22-23).