Die Bibel lesen

Im Orient verläuft ein Handel nach uralten Regeln. Das Wort „feilschen“ ist viel zu negativ. Ein richtiges „Ringen“ fi ndet statt, es geht um Wertschätzung dessen, was verhandelt wird. In diesem Fall sogar um Menschen. Und das Atemberaubende: Gott lässt sich auf solchen Handel ein, er vollstreckt kein unabänderliches Urteil, sondern lässt Abraham wie einen Partner mitreden. Und Abraham verhandelt mit zäher Leidenschaft und Schlauheit! Er sagt nicht etwa: Herr, dein Wille geschehe! Auch wenn er am Ende den „Preis“ als guten Kompromiss akzeptiert. Es fehlt nur noch die Zuspitzung: auf einen einzigen Gerechten! Hier hört es bei einer Handvoll auf, aber später in Christus ließ Gott sich umstimmen, weil es diesen einen Gerechten gegeben hat.

Solches Ringen ist seitdem zu einem Vorbild geworden für alle, die beten. Demut und Gottesfurcht bedeuten eben nicht, dass man nur ducken und dulden muss. Verantwortung für das Leben auf dieser Erde kann man vor Gott dadurch wahrnehmen, dass man in dieser Leidenschaft betet.

Sodom und Gomorra sind dennoch untergegangen. Aber das lag nicht an Abraham. Die Gegend dort am Toten Meer lässt noch heute erkennen, welche Urgewalten sie gebildet haben. Wenn ein heißer Wind zum Sturm wird und die Dunkelheit sich auf das Land legt, sieht mancher Felsen aus wie eine Salzsäule. Das eigene Blut erstarrt.

Einen ähnlichen Schrecken hinterlässt die Geschichte von Isaaks Opferung(Kapitel 22). Auch sie spielt wieder in Jerusalem auf dem Platz, auf dem später der Tempel erbaut werden sollte. Fast in Rufweite predigen dort heute islamische Imame, jüdische Rabbiner und christliche Geistliche über diesen Text. Sogar Selbstmordattentäter berufen sich darauf, dass Gott das Opfer der Söhne fordert. Wo bleibt heute der Engel, der der Gewalt aller Seiten mit Macht in den Arm fällt und ruft: Lege deine Hand nicht an den Jungen und tue ihm nichts?

In nächsten Kapitel (23) erleben wir Abraham erneut in Verhandlungen, dieses Mal in Hebron (Kirjat Arba) mit den Hetitern. Abraham sucht ein Begräbnis für Sara, die in hohem Alter verstorben ist, und zwar will er sie nicht nomadisch in der Wüste bestatten, sondern auf die Art der Sesshaften. Dazu braucht er ein Grundstück. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass er eins bekommt. Gewiss, in überschwänglicher orientalischer Gastfreundschaft bieten die Hetiter zunächst ein Geschenk an. Dann wird wie üblich ein (völlig überhöhter) Preis genannt. Ganz unüblich schlägt Abraham sofort ein und erhält das erste eigene Grundstück im Land der Verheißung.