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Diakonie-App “Justy” für Kinderrechte im Heimalltag

In einem Projekt entwickelt die Diakonie RWL die App „Justy“ als Unterstützung für Kinder in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe. Die digitale Plattform soll Ratgeber und Beschwerdestelle sein.

Jugendliche aus ausgewählten Einrichtungen der stationären Jugendhilfe haben in einem Workshop erstmals die Justy-App getestet
Jugendliche aus ausgewählten Einrichtungen der stationären Jugendhilfe haben in einem Workshop erstmals die Justy-App getestetDiakonie RWL / Alexander Hundenborn

Nach dem Mittagessen ist es soweit: Zum ersten Mal laden die Jugendlichen die erste Version der neuen Justy-App auf ihre Smartphones und fangen an, sich durchzuklicken. Die Personen, die an diesem Tag einen Blick in die App werfen dürfen, haben schon seit einiger Zeit indirekt daran mitgewirkt. Sie alle leben in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe und konnten ihre Ideen und Wünsche bereits bei der Entwicklung der App einbringen – in Interviews oder Workshops wie an diesem Wochenende.

Das Justy-Projekt läuft seit Januar 2023. Der Fokus liegt auf Kinderrechten und Teilhabe. Deshalb arbeiten die Jugendlichen auch aktiv daran mit. Beim Workshop im Dezember ging es schwerpunktmäßig um Kinderrechte und darum, wie sie gut vermittelt werden können.

Die Justy-App soll ein neuer Weg der Vermittlung sein. Sie soll Jugendliche informieren, ihnen aber auch Wege aufzeigen, über die sie melden können, wenn etwas mal nicht so läuft wie es soll. Die Idee zu einer solchen digitalen Plattform entstand bereits vor einigen Jahren. Damals wurde festgestellt, dass viele Jugendliche die klassischen Beschwerdewege nicht umfänglich kennen oder nicht nutzen.

Ombudschaft noch bekannter machen

„Die Meldungen an die Ombud­schaft kommen bislang in den seltensten Fällen von den Jugend­lichen selbst“, sagt Alexander Hundenborn, Referent im Geschäftsfeld Familie und junge Menschen der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und Projektleiter der Justy-App. Die Ombudschaft Jugendhilfe NRW e.V. ist die externe unabhängige Beschwerdestelle im Land. Zuletzt hat sich das Verhalten der jungen Menschen verändert: Sie haben sich verstärkt selbst an die Ombudschaft gewendet. Dennoch, so Hundenborn weiter, könne „Justy“ eine gute, jugendaffine Erweiterung des Kontaktaufbaus sein und die wichtige Institution der Ombudschaft noch bekannter machen.

Die gibt es jetzt auch in der Justy­-App. „Der Chatbot ist im Moment noch sehr ‚dumm‘“, sagt Entwickler Silvio Kühn von der Firma beemo GmbH, die die App für die Diakonie entwickelt. Das Tool sei noch in einer frühen Phase. Später soll der Chatbot einmal helfen, als Beschwerdenavigator die richtige Anlaufstelle zu finden. „Wie geht es dir?“, fragt er zuerst. Außerdem, wie alt man ist und ob man Rat oder Information sucht oder eine Beschwerde loswerden will. Nutzende können auf alles antworten, wie in einem normalen Chat, ihr Anliegen eintippen und auswählen, ob sie eine Ansprechperson innerhalb oder außerhalb ihrer Einrichtung brauchen. Diese erste Einordnung wird an eine entsprechende Person weitergeleitet, die dann statt dem Chatbot am anderen Ende sitzt und auf die Sorgen und Fragen der Jugendlichen eingeht.

Über Verwendung entscheidet Einrichtung

Durch die neue Kontaktmöglichkeit soll auch mehr Transparenz entstehen. „Die Jugendlichen bekommen dort schnelles Feedback und wissen, dass sie gehört worden sind“, sagt Alexander Hundenborn. Bislang fühle es sich aus Sicht der Jugendlichen bei Beschwerden oder Anliegen manchmal so an, als wäre die Meldung überhaupt nicht angekommen. Wie es mit ihrem Anliegen weitergehe und ob sich jemand darum kümmere, wüssten sie eine ganze Zeit lang nicht, berichten die jungen Menschen beispielsweise auch in Interviews mit der FH Dortmund. In Form einer wissenschaftlichen Begleitung durch Prof. Dr. Nicole Knuth und Marius Biele (FH Dortmund) werden in Befragungen und durch wissenschaftliche Dokumentationen wichtige Hinweise aufgearbeitet, die in Konzept und Entwicklung maßgeblich mit einfließen.

Nila ist 16 Jahre alt und findet die Testversion der App auf Anhieb gut. „Bisher hatte ich noch nie eine Beschwerde. Aber sollte ich mal eine haben, würde ich die App sicher nutzen“, sagt sie. Auch Tyler hat Spaß beim Testen und findet: „Ich werde die App sicher verwenden, wenn ich sie mal brauche.“ Nila hat aber noch einen Hinweis. Die Worte „extern“ und „intern“ könnten für manche unverständlich sein. „Nicht jeder hat schon so einen großen Wortschatz“, sagt sie.

Beschwerden oder Fragen, die die Jugendlichen beschäftigen, drehen sich oft um ihre Rechte in den Einrichtungen. Wer darf eigentlich in mein Zimmer? Und darf der Betreuer mir zur Strafe das Smartphone wegnehmen? In der App sollen Infos und Kontaktmöglichkeiten ineinander greifen. Der erste Menüpunkt nach Öffnen der App heißt „Deine Rechte“. Dort finden die Jugendlichen viele Infos zu den Rechten, die sie schon haben.

Barrierearme und kinderfreundliche App

Wichtiger Hinweis der Jugendlichen im Workshop: Nicht zu viel Text, lieber mehr Bilder. So, dass man nicht von einer Textwüste überfordert werde. Weil die App auch barrierearm sein soll, gibt es schon jetzt eine Vorlesefunktion.

Um Infos spannender zu verpacken, soll die App auch Möglichkeiten bieten, sie spielerisch erfahrbar zu machen. In der Einrichtung könnten später QR-Codes aufgehängt werden. Scannt man die mit der App, öffnen sich Informationen – wie bei einer Art Schnitzeljagd. Wie sie die App verwendet, entscheidet die jeweilige Einrichtung später selbst. Auch deshalb ist es wichtig, die Nutzenden – Jugendliche wie Betreuende – rechtzeitig mit einzubeziehen.

Das App-Projekt läuft insgesamt fünf Jahre. Am Ende soll Justy bundesweit verfügbar sein. Bis dahin können viele Elemente noch verändert und angepasst werden. Dann durchläuft die App mehrere Testphasen. Das bedeutet, dass sie in den sieben ausgewählten Einrichtungen, in denen die Jugendlichen jetzt schon am Projekt beteiligt sind, im Laufe des Jahres 2024 im Alltag auf die Probe gestellt wird. Denn ganz besonders wichtig ist natürlich das Feedback derer, denen die App später helfen soll: Kinder und Jugendliche.