Deutschlands größte Langzeit-Gesundheitsstudie in neuer Phase
Forscher sprechen von einer Erkenntnismaschine: 200.000 Bürger beteiligten sich an einer Langzeit-Gesundheitsstudie, die Krebs, Diabetes, Demenz oder Herzinfarkt unter die Lupe nimmt. Jetzt geht es in die dritte Runde.
Jetzt wird es für die Forschung so richtig interessant: Die größte Langzeit-Bevölkerungsstudie Deutschlands geht in die dritte Runde. Die 2014 gestartete NAKO-Studie nimmt die Gesundheit der Bundesbürger unter die Lupe, um die Entstehung von Volkskrankheiten besser zu verstehen. Nun werden die Studienteilnehmer zur dritten Untersuchung eingeladen.
Ein Mammutprojekt und ein Meilenstein für die Gesundheitsforschung: Sie hat im Rahmen der Langzeitstudie mittlerweile einen riesigen Datenschatz aufgebaut. Damit sollen Entstehung, Häufigkeit und Ursachen von Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes, Demenz oder Herzinfarkt erforscht werden, um Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung zu verbessern.
Die Teilnehmenden wurden vor 10 Jahren zufällig über die Einwohnermeldeämter ausgewählt und eingeladen, sich über die 18 Studienzentren an der Studie zu beteiligen. Mehr als 200.000 Menschen von damals 20 bis 69 Jahren meldeten sich. Von der Blutdruckmessung bis zum Handgreiftest: Sie wurden mehrere Stunden lang körperlich untersucht, füllten umfangreiche Fragebogen aus und machten Angaben zu ihrem Verhalten und zu ihren Lebensumständen. Biomaterialien wie Blut oder Urinproben wurden gesammelt. 30.000 Teilnehmende erhielten darüber hinaus eine Magnetresonanztomografie (MRT)-Untersuchung.
Diese Untersuchung sollte kein einmaliger Schnappschuss bleiben: Alle vier bis fünf Jahre findet eine Folgeuntersuchung statt. Im Lauf der Studie würden insgesamt rund 28 Millionen Bioproben gesammelt, teilten die Verantwortlichen mit.
So möchte die NAKO unter anderem ergründen, was die Entwicklung der Multiplen Sklerose begünstigt, und woher eine Epilepsie stammen könnte. Die große Teilnehmerzahl ist dabei sehr wichtig: „Gerade bei solchen nicht sehr seltenen, aber auch nicht ganz häufigen Erkrankungen, die etwa bei 0,5 Prozent aller Menschen vorkommen, versagen kleinere Kohorten. Wir in der NAKO aber haben bei einer Erkrankung, die jeden 200. Menschen betrifft, unter unseren Teilnehmern immerhin noch 1.000 Erkrankte, die wir auf Gemeinsamkeiten untersuchen und mit den Gesunden vergleichen können“, sagt der Vorstandsvorsitzender von NAKO, Henry Völzke.
Die Wissenschaftler interessieren sich auch für den Zusammenhang zwischen den Ursachen und Auslösern von Erkrankungen: Wirkt es schützend vor Arterienverkalkung, wenn bestimmte Blutwerte vorliegen? Sinkt tatsächlich das Allergierisiko, wenn man in ländlichen Regionen lebt? Welche Mikroorganismen im Stuhl deuten darauf hin, dass sich eine Autoimmunerkrankung entwickelt?
Viele Tests werden in allen Zentren gleichermaßen durchgeführt. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die nur in bestimmten Regionen durchgeführt werden. In Kiel und neun anderen Studienzentren wird zum Beispiel die Zahn- und Mundgesundheit ausführlich untersucht.
Das Forschungsprojekt wird von insgesamt 26 Einrichtungen getragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und weiteren Forschungsinstituten in Deutschland arbeiten in einem bundesweiten Netzwerk zusammen. Gearbeitet wird nach europäischen Standards, damit die Daten international vergleichbar sind.
Die Größe der Testgruppe sowie die Art, die Länge und der Umfang der Untersuchungen machten die Gesundheitsstudie weltweit besonders, sagt Völzke. „Mit den immer wieder durchgeführten Untersuchungen lernen wir viel über die Veränderung von Risikofaktoren in Bezug auf Gesundheitserhalt und Krankheitsentstehung, sodass folgende Generationen von unseren wissenschaftlichen Ergebnissen profitieren werden.“ Je länger die Studie dauere, desto größer sei das wissenschaftliche Potenzial.
Der Greifswalder Mediziner bezeichnet die NAKO als eine Erkenntnismaschine, die in den nächsten Jahren eine Menge neues medizinisches Wissen generiere. Er rechnet langfristig mit bis zu 1.000 wissenschaftlichen Publikationen im Jahr. Bis 2028 ist die Finanzierung der Studie gesichert. Bislang wurde das Projekt mit rund 380 Millionen Euro ausgestattet.