In einer Eilentscheidung hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag weitere Anordnungen gegen Israel entlassen. Der deutsche Richter Nolte stimmte dafür – aber äußert auch Bedenken.
Der deutsche Richter Georg Nolte am Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat davor gewarnt, das Mandat zu überreizen. Man dürfe nicht das Signal senden, dass die Schwelle für Änderungen und Ergänzungen vorsorglicher Anordnungen niedrig liege, erklärte der Berliner Völkerrechtler am Freitag zu einer neuen Eilentscheidung über das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg. Diesen Beschluss habe er “erst nach langem Zögern” mitgetragen.
Das oberste UN-Gericht sei kein “Überwachungs- oder Durchsetzungsorgan”, betonte Nolte. Zur Beendigung der katastrophalen Lage im Gazastreifen könne es nur eine begrenzte Rolle spielen.
Um zu der Auffassung zu kommen, dass in und um Rafah eine “außerordentlich dramatische humanitäre Lage” herrsche, müsse man nicht voraussetzen, dass die aktuelle israelische Offensive in völkermörderischer Absicht stattfinde; dafür gebe es aus seiner Sicht keine plausiblen Anhaltspunkte. Die neuen Anordnungen sah Nolte vielmehr dadurch gerechtfertigt, dass Israel nicht genug für die humanitäre Versorgung der Menschen im Gazastreifen unternehme.
Nolte unterstrich weiter, der vom Gericht verlangte Stopp für die israelische Militäroperation beziehe sich ausschließlich auf das Vorgehen in Rafah. Es gehe darum, Lebensbedingungen zu verhindern, die die physische Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza insgesamt oder in Teilen herbeiführen könne.
In diesen Punkten traf sich Noltes Argumentation mit der des ad hoc berufenen israelischen Richters Aharon Barak, der gegen die Beschlüsse gestimmt hatte. Barak erklärte, solange Israel die Völkermord-Konvention einhalte, sei es nicht an einer Fortführung der Rafah-Militäroperation gehindert, um die Hamas abzuwehren und die eigene Bevölkerung zu schützen. Das Vorgehen in Rafah werfe indessen keine Fragen im Sinn der Konvention auf, so Barak.