Deutscher Pfarrer verlässt Russland nach vorübergehender Festnahme

Russland geht hart gegen unliebsame ausländische Geistliche vor. Oft bieten Kirchen einen letzten Schutzraum vor politischer Indoktrination. Nun musste ein deutscher Pfarrer das Land verlassen.

Auf Druck der russischen Behörden hat ein ranghoher deutscher Geistlicher der evangelischen Kirche in Sankt Petersburg Russland verlassen. Seine Kirchengemeinde in Sankt Petersburg teilte am Montag mit, Pfarrer Michael Schwarzkopf sei nach elf Dienstjahren in Russland nach Deutschland zurückgekehrt. Der für alle Gemeinden im Nordwesten Russlands verantwortliche Pfarrer war vergangene Woche festgenommen und örtlichen Medienberichten zufolge erst nach einer Nacht in Polizeigewahrsam freigelassen worden.

Die russischen Behörden hatten dem Pfarrer vorgeworfen, nicht an der angegebenen Meldeadresse gewohnt zu haben, und ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Ihm drohte die Abschiebung, hieß es. Das deutsche Generalkonsulat in Sankt Petersburg hatte nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin den Fall von Beginn an sehr eng betreut.

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) bestätigte, dass sich neben dem aus Thüringen stammenden Schwarzkopf auch seine Frau und sein Sohn jetzt in Deutschland aufhalten. Die Landeskirche sei “sehr erleichtert” und begrüße dies, sagte ein Sprecher der EKM der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Magdeburg. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wollte sich nicht zu dem Fall äußern.

Nach Ansicht der Theologieprofessorin und Russlandexpertin Regina Elsner von der Universität Münster zeigt der Fall, dass der “allgemeine, massive Druck der Regierung in Moskau auf die Zivilgesellschaft in Russland” sich auch gegen Religionsgemeinschaften richte. “Seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine wird das Mittel des Aufenthaltsrechts nun intensiv genutzt, um jede Möglichkeit des unabhängigen Agierens von Kirchen auszuschließen”, sagte sie der KNA. Vor Schwarzkopf seien vor allem polnische katholische Priester und Ordensleute aus Russland ausgewiesen oder nach Auslandsaufenthalten nicht wieder ins Land gelassen worden.

Die katholische und die lutherische Kirche in Russland böten “oft einen letzten Schutzraum vor der politischen Indoktrination”, so Elsner. Doch der russische Staat lasse beide Kirchen “unter Vorwänden wie im Fall von Pfarrer Schwarzkopf spüren, dass sie vollkommen von der Gnade des Staates abhängen”.

Schwarzkopf begann seinen Dienst an der Petrikirche 2013. Das in den 1830er Jahren errichtete Gotteshaus liegt an Sankt Petersburgs Prachtstraße, dem Newski-Prospekt, in der Nähe der riesigen Kasaner Kathedrale der orthodoxen Kirche. Schwarzkopf wurde 2014 auch Vertreter des Erzbischofs der evangelisch-lutherischen Kirche Russlands. Nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung des Landes sind Lutheraner. Im europäischen Teil Russlands wird ihre Zahl auf etwa 15.000 geschätzt.

Der leitende Erzbischof der Kirche, Dietrich Brauer, war bereits im März 2022 aufgrund staatlicher Repressionen mit seiner Familie aus Moskau nach Deutschland geflohen. Auch der damalige Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, verließ 2022 das Land. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde seien von Behörden unter Druck gesetzt worden, den Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen, sagte er. Dem habe er sich widersetzt.

Ein im August von Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnetes Dekret sieht vor, dass ausländische Staatsbürger auch ohne Gerichtsentscheidung des Landes verwiesen werden können. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 wurden laut Medienberichten mehr als 30.000 Ausländer aus Russland abgeschoben.