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Deutsche Stiftungen: Lage in Georgien “sehr dynamisch”

Wochenlang protestieren in Georgien Zehntausende Menschen gegen das Gesetz zu “ausländischer Einflussnahme”. Doch das Parlament stimmt zu. Deutsche politische Stiftungen wollen unbedingt dort weiter arbeiten.

Die großen politischen Stiftungen in Deutschland reagieren abwartend auf die Lage in Georgien. Trotz wochenlanger Proteste und Massendemonstrationen hatte das Parlament in Tiflis am Dienstag das Gesetz zu “ausländischer Einflussnahme” verabschiedet, das eine stärkere Kontrolle der Zivilgesellschaft zum Ziel hat. Die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Konrad-Adenauer-Stiftung sind mit insgesamt rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Georgien vertreten.

Die Adenauer-Stiftung erklärte am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), das fragliche Gesetz sei noch nicht in Kraft. “Die Präsidentin wird aller Voraussicht nach ihr Veto einlegen, das muss dann durch das Parlament überstimmt werden, und in der Regierung gibt es bereits Stimmen, die eine Änderung des Gesetzes ins Spiel bringen”, sagte Pressereferent Johann von Diest. Deshalb sei es noch zu früh, eine belastbare Aussage zu den Auswirkungen des Gesetzes auf die Konrad Adenauer Stiftung zu treffen.

Grundsätzlich seien die Formulierungen im Gesetzestext sehr vage, und es sei unklar, wie weitgehend sie die Stiftung betreffen werden, fügte der Sprecher hinzu. “Wir werden auf jeden Fall in Georgien weiterarbeiten und erwägen gegenwärtig nicht, unsere Programme herunterzufahren.”

Auch die Büroleiterin der Böll-Stiftung, Sonja Katharina Schiffers, sprach von einer “sehr dynamischen Lage”. Es bleibe abzuwarten, ob internationaler Druck und öffentliche Proteste im Land die Regierungspartei zu substanziellen Änderungen bewegen könnten. Die Böll-Stiftung werde ihre Partner im Land weiter nach Kräften unterstützen. Auch müsse abgewartet werden, wie die georgischen Partner auf die Registrierungspflicht reagierten und in welcher Organisationsstruktur sie weiter arbeiten wollten.

In Russland und anderen autoritär regierten Staaten hatten Nichtregierungsorganisationen versucht, durch veränderte Organisationsformen – etwa als Unternehmen oder als Privatpersonen – die restriktiven Maßnahmen zu umgehen.

Die georgische Regierung will mit dem Gesetz die Rechenschaftspflicht von Nichtregierungsorganisationen verschärfen, die mehr als 20 Prozent Geld aus dem Ausland erhalten. Das Gesetz sieht vor, dass sich diese Organisationen als “Agenten ausländischer Einflussnahme” registrieren lassen müssen. Kritiker beklagen, das Gesetz sei nach russischem Vorbild verfasst und gefährde die EU-Beitrittsperspektive der kleinen Ex-Sowjetrepublik.

Die vier deutschen politischen Stiftungen hatten Ende April in einer gemeinsamen Erklärung vor der Annahme des Gesetzes gewarnt. Es würde die Arbeit der georgischen Zivilgesellschaft und der unabhängigen Medien erheblich einschränken, den Raum für kritische Stimmen weiter einengen und die Polarisierung fördern. “Unsere wichtige Arbeit für Georgien würde im Falle der Annahme des Gesetzes schwere Rückschläge erleiden.”

Am Dienstag hatte das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis mitgeteilt, es sehe seine Arbeit durch das neue Gesetz in Gefahr. “Die katholische Kirche in Georgien ist eine kleine Minderheit und kann ohne Unterstützung aus dem Ausland nicht überleben”, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz im oberbayerischen Freising.