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Der Tiefpunkt

Christian Wossidlo war Alkoholiker. Die Geschichte einer Befreiung Von Amet Bick

Von Amet BickDas Hauptübel des Trinkers ist die Lüge. Christian Wossidlo sagte das sehr ruhig. Man belügt sich und andere, um nicht zu merken, wie es um einen steht. Man versteckt die Flaschen, gibt vor, jederzeit aufhören zu können, versucht zu verbergen, wie betrunken man schon wieder ist. Und dreht sich weg, um das Unglück der eigenen Frau nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, denn sie weiß natürlich längst, was los ist. Christian Wossidlo gehört zu den wenigen Menschen, die einem in die Augen sehen, wenn sie mit einem reden. Sein Blick ist offen und wach. „Das alles kratzt am Selbstbewusstsein“, sagt er. Der 76-Jährige war Pfarrer, zuletzt in Neutempelhof, vor dreizehn Jahren ging er in den Ruhestand.Er glaubt nicht, dass er als Pfarrer besonders gefährdet war. Vielleicht sei es schwerer zu merken, dass man selber leidet, weil man es gewohnt ist, sich um das Leid der anderen zu kümmern. Nach seiner Erfahrung gibt es keine äußeren Gründe für die Sucht. Stress, besondere Belastungen, Schicksalsschläge, Konflikte – all das könne man anführen, aber es gebe auch genügend Leute, die so etwas erleben und trotzdem nicht zu trinken anfangen. „Es gibt Anlagen dafür.“ Körperliche und vielleicht auch seelische. Er kennt einige Kollegen, die alkoholabhängig sind. Es quäle ihn, wenn er mitbekommt, dass sie sich keine Hilfe suchen. Als Trinker könne man diesen Beruf nur schwer ausüben, weil man nicht mehr vernünftig mit Menschen umgehen kann. (…)

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