Artikel teilen:

Der Sommer ist die Hochzeit der Libellen

Jetzt in der warmen Saison flitzen sie wieder durch die Lüfte: Libellen. Die Tiere sind so farbenprächtig wie nützlich. Dennoch hat der Mensch sie früher mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Sie tragen poetische Namen wie Zierlicher Blaupfeil, Violetter Sonnenzeiger oder Großes Granatauge. Sie machen im Laufe ihres Lebens eine immense Wandlung durch. Und sie wirken geradezu außerirdisch. Kurz: Libellen faszinieren auf vielfache Weise. Jetzt im Sommer haben sie ihre Hochzeit.

Das Erscheinungsbild dieser Insekten ist unverkennbar: vier Flügel, langgestreckter Körper, auffällig große Augen. Wobei diese sogenannten Komplexaugen aus bis zu 30.000 Einzelaugen bestehen. Wer sie genau ansieht, kann schnell den Eindruck gewinnen: Dieses Tier erscheint kaum wie von dieser Erde. Und in der Tat: Libellen sind gewissermaßen in zwei Welten zu Hause, wenn auch freilich nicht auf fremden Sternen.

“Einen Großteil ihres Lebens verbringen die räuberischen Libellen als Larven im Wasser”, heißt es vom Rote-Liste-Zentrum, das sich im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz um gefährdete Arten kümmert. Die Entwicklungsphase als mal eher raupen-, mal mehr käferartige Wesen dauert demnach zwischen einigen Wochen und bis zu fünf Jahren. “Wenn sie nach mehreren Häutungen ausgewachsen sind, entschlüpfen die ‘fertigen’ Libellen über der Wasseroberfläche der letzten Larvenhaut und leben dann meist nur noch wenige Wochen.”

Das gilt allerdings nicht für alle der rund 80 in Deutschland heimischen Arten (weltweit gibt’s um die 5.000). Die Gemeine und die Sibirische Winterlibelle überdauern die kalte Jahreszeit nämlich als ausgewachsene Exemplare. “Sie können dadurch ein Gesamtalter von zehn bis elf Monaten erreichen”, heißt es im “Kosmos-Libellenführer”.

Während Winterlibellen unscheinbar braun sind, zählen viele andere Arten zu den farbenprächtigsten Insekten. Die optische Opulenz, gepaart mit der so rasanten wie grazilen Erscheinung, drückt sich auch in ihren Benennungen aus: Es gibt die Gebänderte Prachtlibelle, Saphir- wie Granataugen, Rubin- und Azurjungfern, diverse Blaupfeile und eine Blaue Federlibelle, außerdem etwa eine tiefdunkle Art namens Schwarzer Baron oder Teufelchen. In Europa bisher nur im Süden lebend, breitet sich diese wärmeliebende Art dank des Klimawandels zurzeit aus. Dasselbe gilt für den vor allem in Afrika heimischen Violetten Sonnenzeiger – nomen est omen.

Der Name Libelle kommt laut Duden vom “gleichmäßigen Flug mit waagerecht ausgespannten Flügeln”. “Libella” bedeutet im Lateinischen “kleine Waage” oder “Wasserwaage”. Die Bezeichnung Libelle hat sich erst mit der Zeit durchgesetzt, vorher wurden die Tiere etwa “Teufelsnadeln” genannt. Dahinter steht eine Fehlannahme, wie der Naturschutzbund (Nabu) erklärt: “Hartnäckig hat sich bis heute der Irrglaube gehalten, sie könnten stechen.” Quatsch! Libellen seien dem Menschen vielmehr nützlich, da sie Quälgeister wie Mücken und Bremsen fräßen.

Warum Libellen also nicht aktiv fördern? Zumal laut Nabu zwei Drittel der heimischen Arten gefährdet sind, vor allem wegen Lebensraumzerstörung. Wer einen Garten hat, kann ein Gewässer ohne Fische als Fressfeinde anlegen und ihn naturnah mit heimischen Blumen bepflanzen. Das geht auch auf dem Balkon; eine Maurerwanne etwa bietet Platz für einen Mini-Teich. Im Wasser können sich die Tiere dann als Larven entwickeln. Und ein Blütenmeer drumherum beschert den erwachsenen Libellen kleine Insekten als Futter.

In Sachen Ernährung kennt man von Libellen auch Kannibalismus. Der Kosmos-Führer schildert den Fall, in dem eine Libelle eine andere verzehrte, “während diese gleichzeitig damit beschäftigt war, eine Fliege zu fressen. Sie ließ sich, sozusagen den eigenen Tod vor Augen, nicht bei ihrer Mahlzeit stören.” Das Opfer habe offenbar keinen Schmerz verspürt. In ähnlichen Fälle hätten halb aufgefressene Libellen noch eine Zeit lang weitergelebt, obwohl lebenswichtige Organe wie das Herz längst zerstört gewesen seien.

Libellen sind also hart im Nehmen. Sonst gäbe es sie wohl auch nicht schon so lange. Seit mehreren Hundert Millionen Jahren flitzen sie durch die Lüfte. Hatten die Tiere einst Flügelspannweiten von mehr als 70 Zentimetern, sind es heute maximal 15 Zentimeter. “Sie können rüttelnd wie ein Vogel in der Luft stehen, wie ein Segelflugzeug dahingleiten, auf bis zu 50 Stundenkilometer beschleunigen und abrupt die Flugrichtung ändern”, erklärt der Nabu. Manche flögen sogar rückwärts.

Auch hinsichtlich der Lebensräume gibt es Spezialisierungen. Bestimmte Arten benötigen Torfmoose, Quellrinnsale oder flache Lehmpfützen. Andere kommen nur im Gebirge vor, etwa die Alpen-Mosaikjungfer, die in Deutschland einzig in Bayern zu finden ist. Wieder andere sind Allrounder. Das Große Granatauge zum Beispiel kann man in Mitteleuropa fast überall sehen. Außer, es ist gerade auf Tauchstation. Das Tier legt seine Eier nämlich unter Wasser ab und bleibt dazu manchmal über eine Stunde unter der Oberfläche.