Der Rausch ist nicht immer das größte Problem

Für viele Jugendliche ist ein Alkoholrausch eine Erfahrung, die man mal gemacht haben muss. Auch Suchtexperten finden das nicht so problematisch. Größere Sorgen macht ihnen etwas Anderes.

Ein Rausch gehört für viele Jugendliche dazu (Symbolbild)
Ein Rausch gehört für viele Jugendliche dazu (Symbolbild)epd-bild / Maike Glöckner

Die Musik war echt cool. Bier gab’s genug. Und Wodka. Den hatte Jonas (Name geändert) von seinem älteren Bruder mitgebracht. Gegen die Absprachen. Eigentlich sollte bei der Party nur Bier fließen. Jonas trank Wodka – rasch und viel. Plötzlich wurde er bewusstlos. Nicht einmal unter der Dusche wurde Jonas wieder wach. Seine Freunde riefen den Notarzt. Er brachte den 16-Jährigen in ein Kölner Krankenhaus, wo ihm der Magen ausgepumpt wurde.

Sollte man einen solchen Vorfall als Ausrutscher abtun oder problematisieren? Anja Laudowicz-Bodi von der Drogenhilfe Köln ist da ganz klar: Erwachsene müssten in solchen Fällen mit den Teenagern reden. „Ich selbst hatte mit den Jungs einen richtigen Krisen-Talk gemacht“, sagt die Koordinatorin des kommunalen Alkoholpräventionsprogramms „HaLT – Hart am LimiT“.

Mehr als ihnen guttut

Jungen Menschen wie Jonas muss laut Laudowicz-Bodi klar werden, welche Tragweite massiver Alkoholkonsum hat. Viele Jugendliche und junge Männer trinken nach ihrer Erfahrung viel mehr, als ihnen guttut. Anja Laudowicz-Bodi spricht mit Jugendlichen, die, wie Jonas, in der Klinik gelandet sind. Und sie geht in Klassen, um mit Schülern über die Risiken von Alkoholkonsum ins Gespräch zu kommen.

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie sind alkoholbedingte Störungen die zweithäufigste Diagnose bei allen stationär behandelten Fällen. Im vergangenen Jahr seien mehr als 171.000 Männer mit der Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ stationär im Krankenhaus behandelt worden. Zwei Drittel dieser Männer waren in der Psychiatrie.

Wegen Alkohol ins Krankenhaus

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im Jahr 2019 mehr als 20.000 Menschen zwischen 10 und 20 Jahren aufgrund der Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ im Krankenhaus stationär behandelt worden. Das waren mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2000.

Auch Udo Schneider, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie der Ruhr-Universität Bochum, sagt, es werde zu viel Alkohol getrunken. Der häufigste Grund für eine stationäre Behandlung in seiner Klinik sei eine Suchterkrankung. „Dabei macht Alkoholabhängigkeit den höchsten Anteil aus.“

In der Gruppe spornen sich Jugendliche zum Trinken an (Symbolbild)
In der Gruppe spornen sich Jugendliche zum Trinken an (Symbolbild)epd-bild / Andrea Enderlein

Dass fast jeder Teenie irgendwann einmal so viel trinkt, bis der Film gerissen ist, darin liege nicht das Problem. „Bei einem Großteil der Jugendlichen gehört eine Rauscherfahrung einfach dazu“, sagt Holger Faust von der Jugend- und Drogenberatung der Stadt Würzburg. Sorgen macht er sich vor allem um Jugendliche und junge Männer, die regelmäßig Alkohol trinken und gleichzeitig andere Drogen konsumieren.

Schwierig findet Angela Freimann, Leiterin der Suchtberatung „Drobs“ in Hameln, die große gesellschaftliche Akzeptanz von Alkoholkonsum. Dadurch kämen schon Kinder früh in Kontakt mit Bier oder Wein. „Wenn ich nachfrage, wann jemand zum ersten Mal Alkohol getrunken hat, höre ich meist, dass das so mit 14 Jahren gewesen war, bei der Firmung oder Konfirmation“, sagt sie. Freimann würde gern die Präventionsarbeit ausweiten, aber dafür gebe es kein Geld.

Prävention ein wichtiges Mittel

„Alkohol ist ein sehr prominentes Thema bei Jugendlichen und jungen Männern“, sagt Janis Schneider von der Fachstelle für Suchtprävention Berlin. Die einen versuchten, durch Alkohol den Leistungsdruck im Beruf oder in der Schule zu kompensieren. Andere wollten „besäuselt“ leichter mit Altersgenossen in Kontakt kommen. Wieder andere betrinken sich, um Probleme mit Freunden oder in der Familie zu vergessen.

Auch Janis Schneider plädiert für eine Stärkung der Prävention und der Frühintervention bei kritischem Alkoholkonsum. Beides sei allerdings „strukturell unterfinanziert“.