“Der Pregizer gehört pulverisiert”

Pfarrer Christian Gottlob Pregizer war seiner württembergischen Kirchenleitung suspekt. Deshalb schickte sie einen Beamten nach Haiterbach bei Calw, um den beliebten evangelischen Prediger heimlich abzuhören. Doch statt Kritik erntete der Theologe mit seiner Predigt die Begeisterung des Spions. „Der Pregizer gehört pulverisiert und jedem Pfarrer im Land eine Messerspitze davon eingegeben“, soll er gesagt haben. Am 30. Oktober vor 200 Jahren ist Pregizer gestorben.

Geboren wurde der spätere Pfarrer 1751 in Stuttgart in eine Akademiker- und Gelehrtenfamilie. Früh verstand er sich als Pietist – also als Teil der in Württemberg bis heute starken Frömmigkeitsbewegung, die Konsequenzen aus dem christlichen Glauben für den Alltag fordert, aber auch teilweise die Neigung hatte, sich von der Landeskirche abzuspalten. Der Historiker Eberhard Fritz schreibt über Pregizer: „Er sympathisierte ebenfalls mit radikalpietistischen Überzeugungen, hielt sich aber so bedeckt, dass er nicht die Entlassung aus dem Pfarramt riskierte.“ Als Vater von sechs Kindern habe er das Einkommen dringend gebraucht.

Schwerpunkt seiner Arbeit als Pfarrer war die Stelle in Haiterbach im Nordschwarzwald, wohin er 1795 berufen wurde und wo er knapp drei Jahrzehnte später am 30. Oktober 1824 starb. Er strahlte Begeisterung aus, predigte ein „freudiges“ Christentum, das sich aus dem Glauben an die Erlösung speiste. Seine Kirche war immer voll, oft predigte Pregizer auch auswärts in Versammlungen.

Faszinierte Anhänger von Pregizers Botschaft begannen im nahegelegenen Hornberg bei Altensteig, eigene Glaubenstreffen zu veranstalten. Das markierte den Anfang der pietistischen Pregizer-Gemeinschaft, ohne dass sie von Pregizer initiiert worden wäre. Die Freude am Glauben und der Jubel über die Liebe Gottes versetzte die Teilnehmer der Versammlung in solche Verzückung, dass sie laut dem Pietismusforscher Werner Raupp im Volksmund „Juchhe-Christen“ genannt wurden.

Allerdings hat diese Bewegung in den jüngsten Jahrzehnten Federn lassen müssen, berichtet ihr Leiter Gabriel Waidelich. Der 70-jährige Pensionär ist für die übriggebliebenen 30 örtlichen Gemeinschaften in Württemberg und Baden zuständig, in denen sich noch rund 500 Menschen wöchentlich zum Bibellesen und Gebet treffen – meistens in Privathäusern. Vor 20 Jahren waren es noch über 2.000. Den Rückgang führt der Leiter nicht nur auf die Überalterung zurück, sondern auch auf in der Corona-Pandemie gewachsene Ängste vor Versammlungen in engen Räumen.

Die Gemeinschaft ist rein ehrenamtlich organisiert, beschäftigt keine Hauptamtlichen und besitzt auch keine Immobilien. Einmal im Monat gibt es eine überregionale Gesamtzusammenkunft, den sogenannten Brüderbesuch, berichtet Waidelich. Höhepunkte im Jahreskalender seien Anfang Februar der „Lichtmessbesuch“ sowie an Pfingsten das zentrale Treffen in der Kirche von Zwerenberg bei Calw. Beim geistlichen Erbe spielten die Lieder von Philipp Friedrich Hiller und seinem „Geistlichen Liederkästlein“ sowie das Andachtsbuch des württembergischen Prälaten Magnus Roos eine herausragende Rolle. Die Pregizer-Gemeinschaft ist von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bis heute anerkannt.

In Haiterbach erinnert ein Grabstein vor der Kirche an den legendären Prediger. Eine Pregizer-Gemeinschaft existiere in der Stadt aber nicht mehr, sagt Pfarrer Jonas Nau, derzeitiger Pfarrer am Ort. Die Ortsgemeinde verstehe sich nicht als Hüterin des Erbes Pregizers. So sei beispielsweise keine Sonderveranstaltung zum 200. Todestag geplant. Doch erlebe er in vielen Gesprächen als Gemeindepfarrer, dass Haiterbach bis heute stark pietistisch geprägt und die Spuren der geistlichen Erweckung vor 200 Jahren immer noch sichtbar seien, ergänzt Nau. (2371/22.10.2024)