Welthospiztag: Der letzte Wunsch wird erfüllt
„Wir können dem Leben nicht mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben geben“: Das berühmte Zitat der Hospizbewegung. Walther Seiler beschreibt, wie dieses Motto in Berliner Hospizen umgesetzt wird.
Wie kurz ist ein Leben, wie zerbrechlich und wie wenige Möglichkeiten haben wir, es festzuhalten? Gedanken, die im täglichen Leben der meisten Menschen oft auf seltene Extremsituationen begrenzt bleiben, die aber im Hospiz zu unserem Alltag gehören. „Das Leben ist endlich“, „Heute fängt der Rest meines Lebens an“ oder der Refrain des Liedes von Reinhard Mey: „Wie viele Sommer wird es noch geben?“ – Sätze, die ich in unseren Hospizen in den letzten Wochen im Gespräch mit Hospizgästen und Angehörigen gehört habe. Alle unsere Gäste und Klienten haben den Tod vor Augen.
Wünsche am Lebensende erfüllen
Im Diakonie Hospiz Wannsee und im Diakonie Hospiz Woltersdorf begleiten unsere Teams Menschen auf diesem letzten Lebensabschnitt. Die Arbeit in unserem ambulanten Hospizdienst und in den stationären Hospizen ist geprägt von dem Leitsatz der Hospizbewegung: „Wir können dem Leben nicht mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben geben“ (Cicely Saunders).
Der Welthospiztag am 14. Oktober will das Thema Sterben unbefangen in die Mitte der Gesellschaft rücken und auf die Besonderheiten von Hospizen aufmerksam machen. In diesem Jahr steht das Motto „Hospiz lässt mich noch mal“ im Mittelpunkt. Die Wünsche sterbender Menschen wahrnehmen. Erinnern Sie sich? Der erste Schultag. Der erste Kuss. Das erste Mal alleine auf Reisen. Jedem ersten Mal wohnt ein Zauber inne – und die meisten Menschen können sich an viele dieser Ereignisse sehr gut erinnern.
Und am Lebensende? Auch da spielen besondere Momente eine bedeutende Rolle. Einer unserer Gäste wollte noch einmal an Bord seines Polizeiboots sein. Eine andere noch einmal mit der Harley mitfahren. Unsere Mitarbeitenden könnten viele solcher Geschichten erzählen. Es sind bewegende Erlebnisse, die auch uns als Begleitende beschenken und die uns vor Augen führen, dass das Heute, das Hier und Jetzt zählt. Das Morgen wird es vielleicht nicht mehr geben.
Die hospizliche Begleitung sorgt dafür, dass die Wünsche und Bedürfnisse sterbender Menschen wahrgenommen und sie und ihre Angehörigen in der letzten Lebensphase unterstützt werden. In unserer Arbeit wollen wir Leben bis zuletzt ermöglichen. Weil unsere Erfahrung zeigt, dass das gelingen kann und weil wir davon überzeugt sind, dass das jeder Mensch verdient hat.
Keine Suizid-Assistenz
Das ist übrigens auch der Grund, warum wir keine Assistenz zum Suizid leisten. Unser Auftrag ist ein anderer. Wir setzen uns in unserer Arbeit dafür ein, Menschen zu ermöglichen, die ihnen verbleibende Lebenszeit so gut wie möglich zu leben. Und wenn sich einer unserer Gäste dann doch für einen anderen Weg entscheidet? Unsere Erfahrung zeigt, dass für viele Menschen, die bei Aufnahme den Wunsch nach einem Suizid äußern, dieser während ihrer Zeit bei uns in den Hintergrund rückt. Wir wissen aber auch, dass es Fälle geben kann, in denen ein Gast trotz allem den bleibenden Wunsch hat oder entwickelt, sein Leben selbst zu beenden. Dann gilt für uns: Wir werden ihn in Offenheit begleiten.
Unabhängig davon, wie seine Entscheidung schließlich aussieht, lassen wir ihn bis zum Ende nicht allein. Wir selbst leisten jedoch keine medizinische Assistenz beim Suizid. Damit Hospize ihre Arbeit auch in Zukunft gut leisten können, brauchen sie ehrenamtliches Engagement und die Bereitschaft von Menschen, in diese Arbeit zu investieren. Was viele nicht wissen: Trauerangebote der ambulanten Hospizdienste werden ausschließlich aus Spenden finanziert, und pro Tag und Gast benötigen stationäre Hospize etwa 30 Euro und mehr, weil die Kostenträger nur 95 Prozent der Kosten übernehmen.
Das Diakonie-Hospiz Wannsee begleitet schwer kranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen ambulant und stationär. Zusätzlich zu den 14 stationären Plätzen und der ehrenamtlichen Sterbebegleitung zu Hause bietet das Diakonie-Hospiz Wannsee ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienste in zwei Krankenhäusern an. Das Diakonie- Hospiz Wannsee hat seit 2019 ein Tochterhospiz in Woltersdorf.
Walther Seiler ist Pastor und Geschäftsführer im Diakonie Hospiz Wannsee