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Der Lenz ist nah – Samstag beginnt der meteorologische Frühling

Kurt Tucholsky empfand den Frühling als laut und nervig. Die Erde sehe aus wie unrasiert. Doch die meisten Menschen freuen sich über mehr Licht, Wärme und neues Leben. Am Montag beginnt der Lenz.

Lenz, Frühjahr, Frühling: In den kommenden Tagen beginnt eine neue Jahreszeit; das Ende des Winterblues ist in Sicht. Gerühmt in Liedern (Veronika, der Lenz ist da) und Gedichten (Frühling lässt sein blaues Band), steht der kommende Abschnitt des Jahres für Aufbruch, neues Leben, Licht und Wärme. In Literatur und Malerei werden die Jahreszeiten oft mit den menschlichen Lebensaltern gleichgesetzt. Der Frühling steht dabei für die Jugend.

An der Wertschätzung der Jahreszeit ändert auch die Endsilbe “ling” nichts, der in der deutschen Sprache – wie bei Winzling, Schönling, Flüchtling – oft ein etwas abwertender Charakter zugeschrieben wird. Der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890-1935) war da eindeutig in der Minderheit: Er stellte dem Lenz ein eher schlechtes Zeugnis aus. “Alles ist hellblau und laut” nörgelte er. “Die Spatzen fiepen und sielen sich in blauen Lachen, die Knospen knospen mit einem kleinen Knall…” Die Erde sehe aus “wie unrasiert, der Regen regnet jeglichen Tag und tut sich noch was darauf zugute: ich bin so nötig für das Wachstum, regnet er.”

Egal. Bei den meisten überwiegt die Freude. Aber man kann den Frühling auch nüchtern und wissenschaftlich beschreiben. Astronomisch gesehen beginnt er mit der Frühlingstagundnachtgleiche, dem Äquinoktium. Zu diesem Zeitpunkt steht die Sonne genau senkrecht über dem Äquator, Tag und Nacht sind jeweils zwölf Stunden lang. Bis zum Sommeranfang wendet sich die Nordhalbkugel der leicht geneigt stehenden Erde immer stärker der Sonne zu. Der Frühlingsbeginn beginnt deshalb immer am 19., 20. oder 21. März. In diesem Jahr ist der astronomische Frühlingsbeginn am 20. März um 10.01 Uhr MEZ.

Für Meteorologen und andere Wissenschaftler ist diese Regelung schwierig: Sie brauchen stabile Zeiträume, um messen und vergleichen zu können. Deshalb bevorzugen sie eine – rein statistisch begründete – Alternativ-Datierung: Sie ordnen die Jahreszeiten den vollen Monaten zu. Für sie beginnt der Frühling immer am 1. März, diesmal also am Samstag, und endet am 30. Mai.

Biologen, Landwirte und Naturliebhaber können mit diesen wissenschaftlichen Definitionen oft wenig anfangen. Für sie ist wichtig, wann Witterung und Pflanzen das Frühjahr an einem bestimmten Ort einläuten. Als sogenannte Zeigerpflanzen dienen etwa Haselnuss und Schneeglöckchen. Wenn ihre Knospen öffnen, beginnt der “Vorfrühling”. Und wenn die Apfelblüte anfängt, ist “Vollfrühling”. Die Experten des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) teilen das Jahr auf diese Weise in zehn biologisch begründete Jahreszeiten ein. Die jährlich schwankenden Blühzeiten sind auch wissenschaftlich von Bedeutung. Mit ihrer Hilfe lassen sich Trends bei Klimaveränderungen über Jahrzehnte ohne komplizierte Messinstrumente dokumentieren.

Wissenschaftlich umstritten ist, ob der Frühling durch Licht und Wärme den menschlichen Hormonspiegel stark verändert und einen Rausch der Gefühle auslöst. Manche Verhaltensforscher machen dafür die Zirbeldrüse verantwortlich, die für die Produktion von Melatonin zuständig ist. Der Körper schüttet das Schlafhormon in der Dunkelheit vorwiegend im Winter und während der Nacht aus. Wenn die Tage länger werden, nimmt laut dieser Theorie die Melatonin-Konzentration im Blut ab. Das löse Frühlingsgefühle aus: erhöhte Aktivität und gesteigerte Liebeslust etwa.

Kritiker verweisen dagegen darauf, dass der moderne Mensch durch sehr viel Kunstlicht die Nacht zum Tag gemacht hat. Da in der heutigen Lebenswirklichkeit Dunkelheit und Kälte verdrängt würden, zeigten auch die Hormone keine entsprechende Wirkung mehr. Unbestritten ist aber: Ein schöner Frühlingstag bessert auf jeden Fall die Laune.

Für den modernen Menschen ist kaum mehr vorstellbar, wie sehnsüchtig früher das Kommen des Frühlings erwartet wurde. Die Verabschiedung der kalten Jahreszeit ist fester Bestandteil der Frühlingsbräuche. Osterfeuer und Osterräder sollten den Winter verjagen, ebenso wurden Strohpuppen verbrannt, um den Winter – den bösen Mann – zu vertreiben.

Mit dem Erwachen des Frühlings sind auch religiöse Feiertage wie Ostern verbunden. Das höchste christliche Fest fällt jedes Jahr auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Christen feiern in der Auferstehung Jesu den Sieg des Lebens über den Tod.