„Der Islam in Deutschland wird liberaler“

Immer mehr intellektuelle Imame werden in Deutschland ausgebildet, sagt ein Experte. Doch er warnt vor salafistischen Hasspredigern.

Ein Imam mit seiner Gemeinde (Symbolbild)
Ein Imam mit seiner Gemeinde (Symbolbild)Rolf Zöllner / epd

Osnabrück. Der Islam in Deutschland befindet sich nach Ansicht des Osnabrücker Religionssoziologen Rauf Ceylan derzeit in einem Wandel hin zu mehr Liberalität. Die konservativen Verbände und Moscheegemeinden, die noch immer die Mehrzahl bildeten, sähen sich Bestrebungen etwa zur Anerkennung von Frauen als Imaminnen und einer sich ausbreitenden Säkularisierung gegenüber, sagte Ceylan dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hinzu komme die zunehmende Zahl in Deutschland ausgebildeter, intellektueller Imame. Derzeit gebe es einen Kampf um die Deutungshoheit. „Aber das liberalere Weltbild wird sich wie auch bei den christlichen Kirchen durchsetzen.“

Als gegenläufige Entwicklung beobachte er allerdings ebenso ein Erstarken extremistischer Kräfte, sagte der stellvertretende Direktor des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Zwar sei es leiser geworden um salafistische Hassprediger. „Doch der Schein trügt.“ Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ versuche sich in Syrien und dem Irak zu reorganisieren, politisch-islamistische Gruppen wie die Hizb-ut-Tahrir-Bewegung seien neuerdings aktiv. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alte oder neue fundamentalistische Gruppen wieder an Aktualität gewinnen.“ Sie würden auch in Zukunft eine große Gefahr darstellen, sagte Ceylan anlässlich der aktualisierten Neuauflage seines Buches „Imame in Deutschland“, die am Mittwoch, 7. April, erscheint.

Appell für Zusammenarbeit

Ceylan appellierte an die Gesellschaft und die Entscheidungsträger in Deutschland, mit den Imamen noch enger zusammenzuarbeiten. Sie seien noch immer die Schlüsselfiguren für die Integration der mittlerweile fast fünf Millionen Muslime in die Mehrheitsgesellschaft. Für viele seien sie noch immer Autoritäten. Allerdings hätten immer mehr Jugendliche Probleme mit der übergroßen Mehrheit der Imame, die aus dem Ausland stammten und auch dort ausgebildet seien. Sie seien mit der Lebenswirklichkeit der jungen Menschen in Deutschland nicht vertraut.

Autoritäres Klima

Die islamische Theologie, wie sie an den Universitäten der islamischen Welt gelehrt werde, sei erstarrt und entwickle sich nicht fort, betonte der Experte. In den islamischen Ländern herrsche „ein autoritäres Klima, das kreative Denkfreiheit unterbindet“, sagte Ceylan: „Da entwickeln sich keine geistreichen Theologen.“

Deshalb sei es wichtig, die Ausbildung der Imame in Deutschland und in deutscher Sprache weiter voranzutreiben. Neben dem bereits seit einigen Jahren etablierten Theologiestudium existierten jetzt auch erste Einrichtungen wie etwa das Islamkolleg in Osnabrück, in denen angehende Imame auf ihre praktische Arbeit in den Moscheegemeinden vorbereitet würden.

Keine Chance für Moscheesteuer

Die einzige Möglichkeit, akademisch ausgebildete Imame später auch angemessen zu bezahlen, sieht Ceylan in den Moscheegemeinden selbst. Sie müssten die monatlichen Beiträge erhöhen. Eine Moscheesteuer analog zur Kirchensteuer wird es seiner Ansicht nach „kurz- bis mittelfristig nicht geben“. (epd)

Buch-Tipp
Rauf Ceylan, Imame in Deutschland,
Herder-Verlag, 224 Seiten, 22 Euro.

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