Wohl jeder hat ihn schon mal beobachtet: den Igel. Damit der stachelige Säuger auch weiter oft zu sehen ist, hat die Deutsche Wildtier-Stiftung ihn zum Tier des Jahres 2024 ausgerufen. Denn mit “Mecki” geht es abwärts.
Das neue Tier des Jahres ist polizeibekannt. Immer mal wieder müssen Ermittler wegen Igeln ausrücken; hinterher gibt’s dann Schlagzeilen wie diese: “Zu laut! Igel-Sex führt zu Polizeieinsatz”. Igel seien eben sehr geräuschvoll, heißt es von der Deutschen Wildtier-Stiftung aus Hamburg. “Am lautesten sind sie jedoch, wenn sie auf Artgenossen treffen und in Streit oder Paarungslaune geraten. Dann geben sie ein Keckern von sich und können sogar fauchen und kreischen.”
Die Stiftung hat den Igel am Montag zum Tier des Jahres 2024 gekürt. Allerdings nicht wegen seiner Klangbegabung, sondern, weil es um ihn nicht gut bestellt ist.
“Die größte Bedrohung für den Igel ist der Mensch”, so die Stiftung. Die in vielen Teilen Deutschlands vorherrschende eintönige Kulturlandschaft biete dem Säuger kaum noch Nahrung und Rückzugsorte. “Straßen und Siedlungen engen den Lebensraum der Igel ein, und in aufgeräumten Gärten und Parks finden sie weder Unterschlupf noch Futter.” Unüberwindbare Barrieren wie Autobahnen, Zäune und Mauern führten zu isolierten Populationen, in denen der genetische Austausch begrenzt und das Überleben der Art langfristig gefährdet sei.
Zahlen zum deutschen Igel-Bestand gibt es der Stiftung zufolge nicht. Aber: “Pro Jahr sterben etwa eine halbe Million Igel im Straßenverkehr.” Hinzu kämen Tötungen durch Mähroboter. “Die Maschinen verletzen viele Igel, doch nur ein kleiner Teil der Opfer wird in Auffangstationen gebracht oder tot gefunden.” Die meisten verendeten versteckt. Solche Geräte sollten daher nur tagsüber unter Aufsicht laufen, wenn die nachtaktiven Igel ruhen.
Um das Tier zu fördern, ruft die Stiftung dazu auf, Gärten naturnah zu gestalten. Dabei sollte man den englischen Namen des Tiers bedenken: “hedgehog”, “Heckenschwein” also. Dieser Titel für den Igel komme nicht von ungefähr: “In Hecken findet er Nahrung, Nistplätze und Verstecke.” Auch Totholz- und Laubhaufen seien ideal. Verzichten kann hingegen auf chemische Gifte gegen Schnecken und andere vermeintliche Schädlinge wie Insekten. Denn Igel fressen sowohl das Gift als auch die vergifteten Tiere, wie die Stiftung warnt.
Auch Milch sei tabu, mahnt der bayerische Naturschutzverband LBV. “Igel haben eine Laktoseintoleranz und können Milchzucker nicht abbauen und verdauen. Sie bekommen davon Durchfall, der bis zum Tod führen kann.” Als Zusatzfutter eigne sich stattdessen eine Mischung aus Katzenfutter und Weizenkleie oder Haferflocken.
Das gilt für beide Igel-Arten. Denn es gibt in der Bundesrepublik wohl zwei Versionen des Stachelwesens. Jene Art, die jetzt zum Jahrestier gewählt wurde, heißt mit vollem Namen Braunbrustigel. An Deutschlands Ostgrenze – ob nur jen- oder auch diesseits, ist unklar – lebt zudem der Weißbrustigel. Die Arten unterscheiden sich, nomen est omen, durch die Färbung ihres Fells voneinander.
Wie die Brust nun aussieht – im Notfall wird sie unsichtbar gemacht. Zwar mag der Igel unangreifbar erscheinen, wenn er sich und seine rund 7.000 Stacheln (übrigens verhornte Haare) in Kugelform bringt. Doch Fressfeinde wie Uhu und Dachs haben so starke Krallen, dass sie sich davon nicht abwehren lassen.
Fällt er diesen Widersachern nicht vorzeitig zum Opfer, kann der Igel bis zu sieben Jahre alt werden. Im kulturellen Bereich ist er zudem unsterblich: durch Geschichten wie “Der Hase und der Igel”, durch kulinarische Kleinodien wie Mett- und Käseigel und durch die Meckifrisur, den nach einer Igelfigur aus der Zeitschrift “Hörzu” benannten Bürstenhaarschnitt.
Nicht immer stieß die piksige Erscheinung des Tiers auf Gefallen. In der christlichen Ikonografie galt der Igel wegen seines Stachelkleids als Sinnbild für die Sünde. Zugleich aber machte man ihn zum Symbol für Christus, weil er Schlangen tötet, die das Böse verkörpern. In der Tat vermag es der Igel selbst mit giftigen Kreuzottern aufzunehmen. Daher trägt er seinen Namen zu Recht – denn Igel heißt dem indogermanischen Ursprung nach “Schlangenfresser”.
Im Moment frisst der Igel aber nichts. Bis März ruht er im Winterschlaf.