Der Hamburger Aids-Gottesdienst feiert 25. Geburtstag
Seit einem Vierteljahrhundert wird in Hamburg jeden Monat ein Aids-Gottesdienst gefeiert. Für die Betroffenen ist eine HIV-Infektion heute kein Todesurteil mehr. Doch vor Problemen stehen sie immer noch.
Hamburg. Das erste Mal war ein großes Ereignis: Am 12. Juli 1993 wurde in Hamburg ein Aids-Gottesdienst gefeiert. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth war gekommen, außerdem der Hamburger Bischof Herwig Schmidtpott, trotz der Prominenz war die Stimmung zuerst angespannt. Aids galt als Krankheit von Homosexuellen, Drogensüchtigen und Prostituierten – nicht die üblichen Kirchenbesucher. Der Gottesdienst fand in der Hauptkirche St. Katharinen statt. Sie war bereit gewesen, auch den „Schwulen Chor Hamburg“ auftreten zu lassen. Andere Gemeinden hatten das nicht gewollt. „Celebrate your life“ hieß das Thema, und anschließend war im Hamburger Abendblatt zu lesen, mit diesem Gottesdienst sei „ein neues Kapitel Kirchengeschichte aufgeschlagen worden“.
In diesem Jahr feiert der Aids- und Gemeindegottesdienst seinen 25. Geburtstag. Einmal im Monat findet er in der St.-Georgs-Kirche statt. Im März dieses Jahres wurde bereits der 275. Gottesdienst gefeiert.
Seit 2004 leitet Detlev Gause als Pastor bei der Aids-Seelsorge Hamburg die Gottesdienste. Sein Vorgänger Rainer Ehlers, der vor seiner Verpartnerung den Namen Jarchow trug, hatte 1994 als bundesweit erster Aids-Pastor seine Arbeit in Hamburg aufgenommen.
Was HIV-Positive bewegt
Gauses Themen orientieren sich an dem, was HIV-Positive bewegt, zum Beispiel „Werde ich noch einen Partner finden?“. Drei Elemente gehören seit Jahren dazu: Jedes Mal berichtet jemand aus seinem Leben, das Fürbitten-Gebet wird aus den Bitten formuliert, die die Besucher während des Gottesdienstes auf kleine Zettel schreiben können. Und die Gottesdienstbesucher feiern zusammen Abendmahl. Der Wein wird aus einem Gemeinschaftskelch getrunken. „Da fühlen gerade die Betroffenen: Wir gehören dazu“, sagt Gause. Im Alltag sei das oft anders, da viele Menschen nicht wissen, wie HIV eigentlich übertragen werde – und wie nicht. Den Gottesdienst bereitet jedes Mal ein anders Team vor. Freiwillige gibt es genug, auch wenn sie sich neben der Arbeit Zeit nehmen müssen.
Ein positives Testergebnis bedeutet heute nicht mehr dasselbe wie vor 25 Jahren. Wenn man in den 90er Jahren die Diagnose bekam, glich sie einem Todesurteil. Die Erkrankten starben innerhalb weniger Jahre. 1996 kamen die ersten wirksamen Medikamente auf den Markt, mussten aber alle paar Stunden geschluckt werden und schränkten das Leben sehr ein, berichtet Gause. Heute reichen ein oder zwei Tabletten pro Tag, damit HIV-Positive auf eine normale Lebenserwartung hoffen können.
Gesellschaft grenzt aus
Als die akute Todesgefahr zurückging, verschwand das Thema aus den Medien. Das ist einerseits gut, weil HIV-Positive nicht mehr dauernd damit konfrontiert werden. Es führt aber auch zu neuen Problemen: Die Gesellschaft weiß sehr wenig über HIV und Aids – und grenzt aus. „Früher gab es die Haltung: Ich muss bald sterben, da kann ich es auch sagen. Heute reden viele nicht mehr über HIV“, sagt Gause. „Man lässt die Leute damit vereinsamen.“
Auch an den Gottesdienstbesuchern merkt er das. Zu Anfang kamen 200 bis 300, jetzt sind es nur noch 50 bis 80. Dabei müsste die Zahl der HIV-Positiven größer geworden sein, seit die Betroffenen länger leben.
Guter Ruf in der Szene
Das größte Risiko, an HIV zu erkranken, haben nach wie vor homosexuelle Männer. Die Aidsseelsorge ist darum besonders wichtig für sie. „Sie hat einen guten Namen in der Szene“, sagt Detlev Gause. „Als Aids-Pastor gehen mir überall die Türen auf.“ Auch das Verhältnis der Kirche zu diesem Arbeitsbereich habe sich geändert. Seit etwa 15 Jahren sei man stolz darauf. „Unsere Arbeit wird von den kirchlichen Stellen sehr wohlwollend begleitet“, sagt Gause.
Die „Ehe für alle“, die nach der Bundestags-Abstimmung möglich ist, taucht immer wieder auf, ein Dauerbrenner sei es nicht. Gause hat mehrere homosexuelle Paare gesegnet, möchte jedoch nicht der sein, an den sich alle wenden. Viel lieber ist es ihm, wenn die Paare in ihre Heimatgemeinde gehen und dort getraut werden, wo sie zu Hause sind.