Der Glocken-Klau von Hohenbrünzow
Eine kleine Gemeinde in Vorpommern ist bestürzt: Die Friedhofsglocke ist geklaut worden. Die Polizei tappt noch im Dunkeln, die Gemeinde fürchtet weitere Diebstähle. Von Sybille Marx
Hohenbrünzow. Es war ein Schock. Mitte Dezember erst hatte Pastor Christian Bauer mit seiner Gemeinde in Hohenmocker die Einweihung von drei neuen Glocken gefeiert. Anfang des Jahres fiel dann auf: Im vier Kilometer entfernten Ort Hohenbrünzow ist die alte Friedhofsglocke verschwunden – gestohlen aus dem frei stehenden Glockenstuhl heraus.
„Wie gewonnen, so zerronnen“, sagt der junge Pastor, zu dessen Gemeindegebiet über 30 Dörfer gehören, darunter fünf weitere mit freistehendem Glockenstuhl. „In der Bevölkerung sind alle fassungslos, weil es auch so niederträchtig, so pietätlos ist“, sagt er. „Alle fragen sich: Wer macht denn sowas?“
Um die Glocke, die rund 150 Kilo wiege, aus ihren Gestell zu befreien und abzutransportieren, hätten sicher vier Personen mit anpacken müssen, eine Flex brauche man auch. „Das war Profiarbeit“, meint Pastor Bauer. Die Polizei hat aber noch keine Spur. Auch die Frage, wann genau die Glocke eigentlich verschwand, ist bisher unklar und wird es möglicherweise bleiben.
Zuletzt am Totensonntag geläutet
Wie Christian Bauer erzählt, wurde die Glocke zuletzt zum Totensonntag am 22. November geläutet, danach sei niemand von der Gemeinde mehr auf dem Friedhof gewesen, und viel Publikumsverkehr gebe es in dem Dorf nicht. „Erst im neuen Jahr ist der Bürgermeisterin aufgefallen, dass man so merkwürdig durchgucken kann durch den Glockenstuhl.“ Von mehreren tausend Euro Schaden geht die Gemeinde nun aus. Noch würden alle hoffen, dass die Glocke, die seit 1861 in Hohenbrünzow hing, wieder auftaucht, erzählt Pastor Bauer. „Aber selbst wenn, wird sie sicher beschädigt sein, und dann kann es tausende Euro kosten, sie zu reparieren und neu aufhängen zu lassen.“ Bisher sei völlig unklar, wie die Gemeinde damit umgehen wolle.
Und noch etwas macht dem Pastor Kopfzerbrechen: die Frage, wie sich so ein Diebstahl andernorts verhindern lässt. „Wir haben Angst, dass unsere anderen frei stehenden Glocken auch bald betroffen sind“, sagt er. In einigen Orten seien diese Glocken sogar so aufgestellt, dass man mit dem Auto bis zum Glockenstuhl vorfahren und die Klangkörper abtransportieren könnte. „Ich habe das Gefühl, gegen sowas sind wir einfach machtlos.“