Der Bronze-Baldachin im Petersdom wird runderneuert

Neun Jahre brauchte Bernini für sein erstes Kunstwerk im Petersdom; gut neun Monate wird es gedauert haben, den Bronze-Baldachin vom Staub der Jahrhunderte zu befreien. Dann dürften sich die Besucher die Augen reiben.

Die Spannung wächst: Noch erinnert der riesige graue Quader in der Vierung des Petersdoms eher an ein verirrtes Flugobjekt oder ein Werk von Verpackungskünstler Christo. Doch spätestens an Weihnachten soll der mächtige Bronze-Baldachin von Barockmeister Gian Lorenzo Bernini wieder in voller Pracht enthüllt sein; gemessen an den neun Jahren seiner Entstehungszeit vor 400 Jahren ein Fingerschnipp.

Die Restaurierung des fast 30 Meter hohen und 63 Tonnen schweren Baldachins, der den Hauptaltar krönt, ist eines der Großprojekte zum Heiligen Jahr 2025, das Papst Franziskus an Heiligabend eröffnen will. Viele Millionen Menschen hat das barocke Opus aus Bronze, Marmor, Holz und Gold seit seiner Vollendung 1633 in Staunen versetzt. Auch die Symbolkraft des Monuments, hoch wie ein zehnstöckiges Haus, könnte kaum größer sein: Es verbindet das Grab des Apostels Petrus tief in den Vatikanischen Grotten mit der 117 Meter hohen Hauptkuppel der wichtigsten Kirche der Welt.

Doch die täglich rund 60.000 Besucher lassen neben ihrer Bewunderung auch Schmutz, Haar- und Hautpartikel im Petersdom. Zusammen mit Staub und Ölen hat sich all das auf dem Ausnahmekunstwerk eingebrannt und es matt werden lassen, von den Marmorsockeln bis zu Weltkugel und Kreuz, hoch oben auf der zwiebelförmigen Spitze. Zum Heiligen Jahr, für das mehr als 32 Millionen Gäste in Rom erwartet werden, soll das Prachtwerk im ursprünglichen Glanz erstrahlen. Die veranschlagten Kosten von 700.000 Euro übernehmen die Kolumbusritter, eine konservative US-amerikanische Vereinigung von Katholiken.

Und so analysieren, fotografieren, filmen und kartieren seit dem Frühjahr Wissenschaftler von Universitäten und den Vatikanischen Museen jede Putte, Quaste und Statue am Baldachin. Seit der letzten Restaurierung 1758 kam ihm niemand so nah. Hinter den leicht transparenten Planen um das Gerüst sind Trupps von bis zu 15 Restauratoren und Fachleuten mehr zu ahnen als zu sehen. Die Farbe der Verkleidung habe man gewählt, weil sie sich dezent in die Umgebung der Papstbasilika füge, erläutert der Chef der Vatikanischen Dombauhütte, Pietro Zander – soweit ein Monstrum, das dem Besucher schon beim Eintritt in das 186 Meter lange Kirchenschiff ins Auge springt, dezent sein kann.

Auch die Konstruktion des Metallgerüsts sei anspruchsvoll: Es umschließt das empfindliche Kunstwerk, ohne es zu berühren. Insgesamt wurden fast ein Kilometer Stromkabel sowie Wasserleitungen auf den Etagen verlegt. Darauf arbeiten sich die Fachleute langsam von oben nach unten, ausgerüstet mit Skalpellen, Eisenbürstchen, Mikrobohrern und Vibrationsgravierern.

Obwohl die Oberfläche riesig ist – allein 150 Quadratmeter sind mit Gold versehen – die Arbeiten schreiten gut voran. Zander zeigt sich optimistisch für die rechtzeitige Vollendung vor dem 24. Dezember. “Das Neue ist, dass Besucher dann erstmals die Zweifarbigkeit sehen können: den Glanz von Gold und Schwarz der Säulen und Statuen.” Ganz wichtig: “Die Restauratoren fügen nichts hinzu. Wir werden den Baldachin so sehen, wie er vom Barockkünstler Bernini konzipiert wurde.”

Ganz in der Manier der Zeit sparte der nicht mit prunkvollen Details: Die vier beinahe lebensgroßen Engel an den Ecken des Dachs sind in dramatischen Gesten erstarrt; an den spiralförmigen Säulen ranken goldene Oliven- und Lorbeerzweige empor. Die Marmorsockel zeigen an den Außenseiten die päpstliche Krone sowie die Schlüssel Petri als Zeichen für das Papsttum. Zahlreiche Bienen, Wappentiere des Adelsgeschlechts der Barberini, erinnern an die – nicht unumstrittene – Familie des Auftraggebers, Papst Urban VIII. (1623-1644).

“Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini” (Was die Barbaren nicht schafften, das schafften die Barberini) spielt ein römisches Sprichwort auf eine bekannte Legende an: Demnach habe Urban VIII. für sein Lieblingsprojekt tonnenweise Bronze vom Dach des Pantheon zum Petersdom schaffen lassen. Aber Pietro Zander verweist auf Archivdokumente: “Wir wissen, dass zwar Bronze vom Pantheon für den Baldachin kam, aber die stammte ursprünglich aus der Dombauhütte von Sankt Peter und wurde so dem Papst zurückgegeben.” Tatsächlich seien für das Kunstwerk sechs Kupferrippen von der Kuppel des Petersdoms abmontiert und eingeschmolzen worden. An der Legende um die bienenfleißigen Barberini sei jedenfalls nichts dran.