Der Bibelfilm „Maria Magdalena“ erzählt eine Berufungsgeschichte

In der Bibel hat Maria Magdalena nur kurze Auftritte, aber die sind stark. Sie gehört zu den getreuen Anhängern, die Jesus im Sterben begleiten, und sie ist am leeren Grab die erste Zeugin der Auferstehung. In Ausmalung dieser kargen Biographie wurde sie häufig mit der Pros­tituierten gleichgesetzt, die Jesus die Füße salbte (Lukas 7, 37ff.). Das „Sünderinnen“-Image hat sich durch Darstellungen in der Kunst wie im Film verfestigt.
Der Mitte März angelaufene Kinofilm „Maria Magdalena“ von Garth Davis versteht sich hingegen bewusst als Versuch einer Rehabilitation von Maria Magdalena als einer den Aposteln gleichgestellten Begleiterin Jesu. Der Film sucht nicht nach sensationsheischenden Umdeutungen, sondern unterstreicht, was in der Bibel den Kern ausmacht: Maria Magdalena ist die erste Zeugin am Grab und die erste Verkündigerin der Auferstehung.
Davis erzählt damit eine Berufungsgeschichte. Ihr Leben, das wird deutlich, ist von einer intensiven Gotteserfahrung durchdrungen. Sie spürt, dass es ihr nicht bestimmt ist, Frau und Mutter zu werden. Für ihre Familie ist die Verweigerung der Ehe allerdings ein Anzeichen für Besessenheit, weshalb man an ihr einen Exorzismus vollziehen lässt, bei dem sie fast stirbt. Sie lässt sich aber dennoch nicht von ihrem Weg abbringen und folgt Jesus, der sie als Freundin besonders schätzt. Diese Beziehung hat keinerlei sexuelle Konnotationen.

Der Film bleibt dem Geist des Evangeliums treu

Die bekannten Stationen der Geschichte von der Bergpredigt über die Tempelreinigung bis zum Letzten Abendmahl und der Passion spielt der Film nur kurz an. Wichtiger ist dem Regisseur eine thematische Klammer. Es geht um die Frage nach der Bedeutung des Reiches Gottes. Während die Männer eine Revolution gegen die herrschenden Römer erwarten, ist Maria überzeugt, dass dieses Reich eines jeden Menschen beginnt. Das ist auch ihre Botschaft, die sie nach der Auferstehung gegen die „Männerkirche“ – verkörpert durch die Gruppe der Apostel – vehement verteidigt.
Das zentrale Thema allem in Bildern umgesetzt. Der Film setzt stark auf Blicke, Berührungen und Gesten der Zuwendung, um eine Welt aufscheinen zu lassen, in der ein friedliches Miteinander und eine Kultur der Achtsamkeit bestimmend sind.
Im Zusammenhang mit der Reich-Gottes-Thematik steht auch eine interessante Umdeutung der Judas-Figur. Sonst als Verräter gezeichnet, ist er hier ein junger Mann, der Frau und Kind durch die Römer verloren hat und sich nichts sehnlicher wünscht, als bei Anbruch des Reiches Gottes mit den geliebten Verstorbenen wiedervereint zu werden. Als diese Hoffnung enttäuscht wird, nimmt er sich das Leben, weil er nur darin einen Weg sieht, um zu seiner Familie zu kommen.
Eindrucksvoll sind die Leistungen der beiden Hauptdarsteller. Joaquin Phoenix ist kein „süßer“ Jesus, sondern verbindet Stärke mit Zärtlichkeit, Rooney Mara als Maria Magdalena macht das innere Leuchten einer Frau von großer spiritueller Kraft sichtbar.
Visuell bleibt der Film weitgehend der Ästhetik der wallenden Bärte und Gewänder verhaftet. Dennoch gelingt ihm, eine frische neue Sicht auf die Botschaft des Evangeliums. Auch wenn viele Details der Geschichte von Maria Magdalena erfunden sind, bleibt er dem Geist des Evangeliums treu.