Es ist ein buntes Treiben: Boy George empfängt das Publikum am Eingang der Ausstellung im grellen, androgynen Outfit und lässt das Publikum durch einen Vorhang eintreten. Willkommen in der Postmoderne! In der Bundeskunsthalle wird die Zeit der Schulterpolster, der Neonfarben und der Popkultur wieder lebendig: Eine Epoche, die den Stilmix zum Prinzip machte und die Pluralität feierte. Unter der Überschrift „Alles auf einmal: Die Postmoderne“ präsentiert die Bundeskunsthalle einen Rundgang durch die dreieinhalb Jahrzehnte zwischen 1967 und 1992.
Die Ausstellung, die bis zum 28. Januar zu sehen ist, will nicht weniger sein als ein „Überblick über den Beginn unserer Gegenwart“, wie die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus, erklärt. Gemeinsam mit Kolja Reichert hat sie die Schau kuratiert. „Es ist eine Epoche, die großen Wandel mit sich bringt.“ Pluralität tritt an die Stelle ideologischer Geradlinigkeit. Innovation geschieht durch Referenzen, Zitate und einen bunten Stilmix quer durch alle Epochen und Kulturen.
Wie sich das in Kunst und Kultur niederschlug, demonstriert die Bundeskunsthalle mit mehr als 350 Werken aus unterschiedlichen Disziplinen. Die Postmoderne erscheint in ihrer ganzen Spannbreite: Zu sehen und zu hören sind stilprägende Beispiele aus Kunst, Architektur, Design, Film, Mode, Musik und Technik. Die Schau zeigt Arbeiten von rund 120 Künstlerinnen und Künstlern sowie Kreativen, darunter David Hockney, Cindy Sherman, Andy Warhol, Nam June Paik, Moschino, Gianni Versace, David Lynch, Richard Meier oder Frank Gehry. Das alles wird präsentiert inmitten einer Ausstellungsarchitektur, die das Gefühl der Epoche wiedergibt. Das Ausstellungsdesign kreierte der Londoner Architekt Nigel Coates, ein bekennender Vertreter der Postmoderne.
Die chronologisch angelegte Schau führt zunächst zu den Anfängen der Postmoderne, die wesentlich durch eine Medienrevolution entfacht wird. Das Fernsehen setzt sich durch. Zugleich wird die erste Mondlandung 1969 zu einem Ereignis, das erstmals die ganze Welt vor dem TV-Gerät verfolgt. In Großbritannien startet 1967 die Kultserie „The Prisoner“, die später von Theoretikern als Sinnbild der Postmoderne gedeutet wird.
Der Weg zurück in die Moderne ist spätestens in den 70er Jahren nicht mehr denkbar. Der französische Philosoph Jean-François Lyotard erklärte die philosophischen Systeme der Moderne in seinem Bericht „Das postmoderne Wissen“ für gescheitert. In der Architektur wurden die alten Konzepte mit ihren geraden Bauhaus-Linien sprichwörtlich abgerissen. Architekten wie James Wines entwarfen Gebäude, deren Außenwände sich unfertig und offen präsentieren.
Die Kreativen der Postmoderne wandten sich von den strengen Regeln der Moderne ab. Stattdessen hieß es nun: „Anything goes“ – alles geht. David Hockney bricht in seinen Gemälden mit der Zentralperspektive, die seit der Renaissance Prinzip der Malerei war. Das Spiel mit Stilen aus unterschiedlichen Epochen und Kontexten sprengt alle Maßstäbe. Ein Beispiel ist der „Proust Armchair“ des Designers Alessandro Mendini. Er bezog barocke Sessel mit einem Stoffdesign, das von den Bildern des Pointilisten Paul Signac inspiriert ist. Architekten wie der Österreicher Hans Hollein feiern einen Stilmix aus unterschiedlichen Elementen wie antiken Säulen und orientalischen Kuppeln.
Nicht zuletzt war die Postmoderne auch eine Ära der Befreiung der Gefühle. Im New Yorker Nachtclub Studio 54 feiern Andy Warhol, Grace Jones, Michael Jackson oder Elton John in grellen Outfits. Im Londoner Blitz Club präsentieren sich mittellose Hausbesetzer aus der Punk- und Romantic-Szene in fantasievollen Kostümen. Einige von ihnen werden berühmt, darunter zum Beispiel Boy George, der spätere Hutdesigner der Queen, Stephen Jones oder die Band Spandau Ballet.
In der Mode setzen androgyne Tendenzen Akzente. Stilprägend ist das Plattencover von Grace Jones LP „Nightclubbing“, auf dem sie mit Bürstenhaarschnitt, ausgepolstertem schwarzen Jackett und Zigarette im Mundwinkel abgebildet ist. In der Mode der 80er Jahre finden die Schulterpolster den Weg aus den Herrenjacketts in die Damenkonfektion. Zugleich entstehen allerorten neue Kulturtempel, gebaut von Architekten wie Frank O. Gehry, James Stirling oder auch Gustav Peichl, der die Bundeskunsthalle entwarf.
Mit dem Fall der Mauer neigt sich die Postmoderne ihrem Ende entgegen. Der Politologe Francis Fukuyama sieht 1992 in seinem Buch „Das Ende der Geschichte“ den ewigen Frieden in Sicht. Die Gegenwart dürfte seine Thesen überholt haben.