“Der Andere Advent” feiert 30. Geburtstag
Er ist fast genauso früh da wie der erste Spekulatius im Supermarkt: Am Donnerstag startet der Verkauf des 30. „Der Andere Advent“-Kalenders. „Es ist zwar noch Spätsommer, aber sonst schaffen wir die vielen Bestellungen nicht“, sagt Chefredakteurin Iris Macke und lacht. 650.000 Kalender muss das Team des ökumenischen Vereins „Andere Zeiten“ bis Ende November verschicken. „Wir haben schon jetzt Tausende Vorbestellungen“, weiß die 51-Jährige. Anlässlich des Jubiläums geht das Team unter dem Motto „30 Jahre. 30 Orte“ bundesweit mit dem Kalender auf Tour. Ende September geht es los. Zudem erscheint ein Jubiläumsbuch, eine persönliche Liebeserklärung an den Advent.
Das Erfolgsgeheimnis des Kalenders? „Es ist ein Mix aus stimmungsvollen Fotos, Illustrationen oder Comics mit zeitgenössischen und historischen Texten“, erklärt Macke. Impulse zum Kraftschöpfen, Lachen und zum Nachdenken. Die Autorinnen und Autoren reichen von Herbert Grönemeyer oder Mariana Leky bis hin zu Theologen wie Theresa von Avila oder Dietrich Bonhoeffer. Dazu kommen persönliche Geschichten aus der siebenköpfigen Redaktion. Dabei wird die Hälfte der Texte von Leserinnen und Lesern eingereicht. „Das sind oft ganz besondere Perlen, die wir wohl nicht gefunden hätten“, schmunzelt Macke. Die Theologin liebt den Austausch, regelmäßig organisiert sie Leser-Treffen. Der Kalender sei „einfach authentisch“.
Und der Bedarf nach Verschnaufpausen ist groß: Laut Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen fühlen sich 52 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gegenwärtig häufiger gestresst als noch vor einigen Jahren. Ein bedeutender Faktor seien Auswirkungen der Digitalisierung wie der Wandel in der Arbeitswelt und der gestiegene soziale Druck, ergab die Umfrage im August. Zudem führen finanzielle Unsicherheiten sowie globale Herausforderungen wie Klimawandel, Krisen und Kriege zu Unsicherheiten, Zukunftssorgen und Stress.
Wie geht es weiter? Das sei ein großes Thema, sagt Chefredakteurin Macke. Lösen könne der Kalender die Probleme natürlich nicht. Aber er zeige neue Perspektiven auf und begleite seine Leserinnen und Leser vom Vorabend des ersten Advent bis zum 6. Januar. Für Grundschulkinder gibt es auch in diesem Jahr „Der Andere Advent für Kinder“ mit Geschichten, Cartoons und Basteltipps. Gegründet wurde die Advents-Aktion vom 2022 verstorbenen Theologen Hinrich Westphal, der damit einen Gegenpol zum Stress und Konsum in der Adventszeit setzen wollte. Die Nachfrage stieg schnell.
„Es ist der weltweit auflagenstärkste Adventskalender dieser Art“, sagt die Chefredakteurin, die sich besonders über Bestellungen aus Australien, Mexiko und Südamerika freut. Der Kalender spreche auch Menschen an, „die sonst mit Kirche nichts zu tun haben“, weiß Macke. Seit dem Erscheinen der ersten Kalender sind die Themen heute andere: „Einkaufsstress ist heute nicht mehr das Problem im Advent, die meisten kaufen online“, erklärt Macke. Dagegen sei die Verunsicherung der Menschen groß, zudem gebe es in der Vorweihnachtszeit diese Sehnsucht nach Spirituellem.
„Wir sind immer wieder überrascht, was der Kalender auslöst“, sagt Macke und lächelt. Zwei Frauen aus Deutschland und Australien lesen ihn jedes Jahr parallel und tauschen sich per WhatsApp über die Texte aus. Die Jubiläumsausgabe des Kalenders steht unter dem Motto „Mache dich auf und werde Licht“. Dazu gibt es Texte der Autorin Helga Schubert und des Schriftstellers Martin Walser, des mittelalterlichen Theologen Meister Eckhart sowie des Philosophen Jean-Paul Sartre. Das Titelfoto zeigt ein Segelboot zwischen Eisbergen vor einem rot-gold schimmernden Himmel. „Es vereint die Schönheit und Zerbrechlichkeit unserer Welt. Wohin das Schiff steuert, ist die große Frage“, findet Macke. Nicht nur im Advent.