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Der älteste Mensch der Welt ist wieder eine Ordensfrau

Im Bistum Essen ist eine Ordensfrau im Alter von 103 Jahren gestorben. Und wieder ist eine Nonne – von 116 Jahren – der älteste Mensch der Welt. Wie machen die das?

Ein Leben hinter Klostermauern: Wie schaffen es Nonnen, so alt zu werden?
Ein Leben hinter Klostermauern: Wie schaffen es Nonnen, so alt zu werden?Imago / epd

Im kalifornischen Silicon Valley stellen Tech-Milliardäre viel Geld zur Verfügung, damit Wissenschaftler an der Unsterblichkeit forschen können. Sie sollen herausfinden, wie man wenigstens das Leben positiv verlängern – oder noch besser, wie man dem Tod von der Schippe springen – kann. Die Investitionen in die Langlebigkeit der Menschen haben sich in den vergangenen zehn Jahren nach Angaben des Versicherers und Finanzberater SwissLife vervielfacht: von 0,5 Milliarden US-Dollar 2013 auf mehr als fünf Milliarden US-Dollar (4,9 Milliarden Euro) 2022.

Verschiedene Start-ups wollen herausfinden, wie die Menschen in Zukunft ein längeres und selbstbestimmteres Leben führen können. Offensichtlich ist ihnen noch nicht aufgefallen, dass es eine sehr kleine Gruppe von Menschen gibt, die außerordentlich alt wird – nämlich Ordensfrauen. Vielleicht können die Tech-Milliardäre wie Amazon-Gründer Jeff Bezos oder Peter Thiel, Gründer von PayPal, von ihnen lernen?

Ordensleute werden häufig sehr alt

Ordensleute werden häufig sehr alt; Nonnen setzen Rekorde: Schon zum zweiten Mal ist der älteste Mensch der Welt eine Ordensfrau. Inah Canabarro Lucas wurde am 8. Juni 1908 in in Sao Francisco de Assis in Brasilien geboren. Erst mit 17 Jahren wurde sie getauft. Seit 1980 lebt sie im Provinzialhaus des Ordens in Porto Alegre.

Zu ihrem 110. Geburtstag 2018 erhielt sie ein Grußschreiben von Papst Franziskus samt einer Urkunde. Sie hält im übrigen noch einen zweiten Altersrekord: Als älteste bekannte Person der Welt überstand sie eine Corona-Erkrankung.

Vor ihr hielt zwischen April 2022 und Januar 2023 die französische Vinzentinerin Lucile Randon den Rekord als älteste lebende Person. Sie starb mit 118 Jahren und 340 Tagen. Schwester Cecilia Gaudette (1902-2017), eine US-amerikanisch-italienische Nonne, wurde 115 Jahre alt.

Im Bistum Essen ist Anfang Januar Schwester Anand im Alter von 103 Jahren gestorben. Geboren 1921 als Margaretha Hegemann in Bochum-Wattenscheid, war sie nicht nur die älteste Ordensfrau des Bistums, sondern auch eine Wegbegleiterin Mutter Teresas.

Katholische Nonnen als Vorbilder des Wohlbefindens

Die Liste ließe sich leicht verlängern. Mediziner haben herausgefunden, dass Ordensfrauen in den USA ein bemerkenswert langes Leben führen und sich dabei oft guter Gesundheit erfreuen. Das lässt sich offensichtlich auch auf Gemeinschaften in anderen Ländern übertragen.

Die US-Altersforscherin Anna Corwin veröffentlichte 2021 ein Buch zu diesem Thema: “Das Alter annehmen – Wie katholische Nonnen zu Vorbildern des Wohlbefindens wurden”. Sie stellte bei ihrem Forschungsprojekt fest, dass Nonnen nicht nur erfolgreicher altern als Menschen auf der anderen Seite der Klostermauern; die meisten Nonnen praktizieren demnach auch eine aktive Akzeptanz des Alterns.

US-Altersforscherin: Das Alter als positiv akzeptieren

“In vielen amerikanischen Klöstern ist Altern ein natürlicher Teil des Lebens – und nicht etwas, das man fürchten oder vermeiden muss”, so Corwin. “Draußen” sei man dagegen vom genauen Gegenteil überzeugt. Das Alter und alle Zeichen des Alterns müssten bekämpft werden. Genau dafür geben die Tech-Milliardäre ihr Geld; denn das Alter mit seinen verschiedensten Herausforderungen als positiv zu akzeptieren, ist nicht das, was sie wollen.

Es gibt einige Faktoren, die zur Gesundheit von Ordensfrauen beitragen, so die Wissenschaftlerin Corwin; zum Beispiel konsequente Ernährung oder eine höhere Bildung. Doch die Geschichte ihrer bemerkenswerten Gesundheit und ihres Wohlbefindens sei damit nicht allein erklärt, meint die Altersforscherin. “Wie sie beten, wie sie miteinander sprechen, wie sie soziale Unterstützung anbieten und erhalten – und wie sie verstehen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, der älter wird: All diese kulturellen Praktiken prägen ihre Erfahrungen mit dem Altern, mit Schmerz und dem Ende des Lebens.”

Projekt widmet sich alten Ordensleuten

Die Soziologin und Theologin Ruth Mächler hat sich in einem Forschungsprojekt mit der letzten Lebensphase hochbetagter Ordensleute beschäftigt, das an der Professur für Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit an der TU München angesiedelt ist. Das Projekt wurde vom Jesuitenorden und den Sacre-Coeur-Schwestern angeregt.

In biografischen Tiefeninterviews hat Mächler mit ihnen über ihr Leben gesprochen. Im März erscheint ihr Buch “Freiheit und Vertrauen”, das darauf basiert. Es trägt den Untertitel: “Von alten Ordensleuten für das Leben lernen”.