Dem Miteinander von Christen und Juden auf der Spur

Bischof Rüdiger Huzmann von Speyer rettete seine jüdischen Untertanen in seine Burg, als 1096 die Kreuzfahrer einfielen und sie ermorden wollten. Mehr als ein Jahrzehnt zuvor habe der Gottesmann verfolgte Mainzer Juden eingeladen, sich in seiner Residenz am Rhein niederzulassen, erzählt die Speyerer Domführerin Uta Lerche. Und er gewährte ihnen weitreichende Rechte: Sie sollten mit ihren Handelsverbindungen in den Mittelmeerraum helfen, die Wirtschaft anzukurbeln und mit ihrem Wissen und Fähigkeiten den Reichtum und das Ansehen des Bischofs steigern.

Eine neue Stadtführung „Doppeltes Welterbe in Speyer“ will nun zeigen, wie Christen und Juden in der Bischofsstadt über die Jahrhunderte zusammenlebten, sich kulturell gegenseitig befruchteten – und auch voneinander profitierten. Mit dem Kaiserdom und dem jüdischen mittelalterlichen Viertel verfüge die Stadt Speyer gleich über zwei kulturelle Highlights, die Unesco-Welterbestätten sind, sagt die Ludwigshafener Historikerin Lerche. „Diese sind geschichtlich und kulturell miteinander verwoben.“

Die Domführerin leitet eine Besuchergruppe aus Osnabrück durch den Speyerer Dom. Die Abitur-Abschlussklasse des evangelischen Ratsgymnasiums von 1966 ist eine der ersten Gruppen, die die zweistündige Kombiführung gebucht hat. „Wir sind alle geschichtlich interessiert“, nennt der ehemalige BASF-Chemiker Jürgen Varwig den Grund, weshalb er für seine alten Schulkameradinnen und -kameraden die Führung organisierte. Die Stadt Speyer und das Dom-Management des Speyerer Domkapitels bieten sie seit kurzem gemeinsam an.

Auf der ersten Etappe lernt man die größte romanische Kirche der Welt kennen. Der Dom war einst die Grablege deutscher Könige, Bischöfe und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und ist seit 1981 Unesco-Welterbe. Die fast 1.000 Jahre alte Großkirche habe der Salierkaiser Konrad II. ab 1027 auch als Zeichen seiner Macht erbauen lassen, erläutert Lerche. In Speyer habe die christliche und jüdische Bevölkerung im Mittelalter recht tolerant zusammengelebt. „Das ist ein gutes Zeichen für heute“, sagt die Domführerin.

Nach einer Stunde übernimmt Stadtführer Thomas Zürker die Gruppe und es geht wenige Schritte weiter zum ehemaligen jüdischen Viertel. Seit 2021 sind die mittelalterlichen SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz gemeinsam das erste jüdische Unesco-Welterbe in Deutschland: Sie waren ein geistig-kulturelles Zentrum des Judentums in Europa. Die Namen hochrangiger Geistlicher haben in der jüdischen Welt bis heute einen guten Klang. Der Speyerer „Judenhof“ beherbergt ein Museum, die mittelalterliche Synagoge, den Frauengebetsraum und die gut erhaltene Mikwe, ein Ritualbad.

Nach Pogromen im Zuge des ersten Kreuzzuges habe Speyer „jüdischen Gemeinden im ganzen Reich beim Wiederaufbau geholfen“, erzählt Stadtführer Zürker. Christliche Mitarbeiter der Dombauhütte hätten um 1104 auch die Synagoge erbaut. Doch war das Zusammenleben von Christen und Juden im Verlauf der Geschichte geprägt von mehr Schatten als Licht: Auch in der Pfälzer Stadt habe die jüdische Bevölkerung schwer gelitten, merkt Zürker an – unter der Missgunst, dem Hass und der tödlichen Verfolgung ihrer christlichen Nachbarn.