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Debatte über Abtreibungs-Passus im Koalitionsvertrag – Druck aus SPD

Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag die Kostenübernahme bei Abtreibungen ausweiten. In der Union fürchten nun einige, dass das die Rechtswidrigkeit aushebeln könnte. Die SPD macht Druck, Theologen äußern sich.

Die SPD im Bundestag pocht darauf, bei Abtreibungen die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen auszuweiten. “Ziel muss sein, Frauen in der wohl schwierigsten Konfliktsituation zu helfen”, sagte die Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Sonja Eichwede, dem Verlag Table.Briefings (Donnerstag). Dazu gehöre, den Zugang zu medizinischer Versorgung zu verbessern. “Aus diesem Grund haben wir im Koalitionsvertrag auch die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung fest vereinbart”, so Eichwede. Hierfür müsse der Gesetzgeber nun alle notwendigen Voraussetzungen schaffen.

Derzeit würden Kosten für eine Abtreibung im Rahmen von Sozialleistungen übernommen, wenn Frauen bedürftig seien, sagte die SPD-Politikerin. Die Erstattung erfolge jedoch oft nicht kostendeckend. Das führe dazu, dass “viele Ärztinnen und Ärzte den Eingriff nicht anbieten – mit negativen Folgen für die Versorgungslage”, erklärte Eichwede.

Im Koalitionsvertrag heißt es zum Thema Abtreibung: “Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus.” Unklar ist, ob daraus folgt, dass Schwangerschaftsabbrüche dann nicht mehr rechtswidrig wären. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bei seiner Sommer-Pressekonferenz erklärt, dass er die Frage nicht abschließend beurteilen könne; aber was im Koalitionsvertrag verabredet sei, solle kommen. Er vermute, dass durch den Satz nichts an der bestehenden Rechtslage geändert werden müsse.

Aus dem Bundesgesundheitsministerium hieß es am Dienstag, der Koalitionsvertrag sei Richtschnur für die Reformvorhaben der Bundesregierung. Die Beratungen über den Punkt der erweiterten Kostenübernahme seien innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.

Derzeit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Abbrüche nur in Sozialfällen oder wenn der Schwangeren schwere gesundheitliche Schäden drohen; zudem nach Sexualstraftaten wie Vergewaltigungen. Laut dem Strafrechtsparagrafen 218 sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland rechtswidrig. In den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft bleibt eine Abtreibung nach vorheriger Beratung aber straffrei. Nicht rechtswidrig ist ein Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung.

Der Moraltheologe Peter Schallenberg sagte dem Portal katholisch.de (Donnerstag), vielen in der Union sei der Lebensschutz möglicherweise nicht mehr wichtig, da immer mehr Parlamentarier vor allem in der CDU nicht mehr christlich sozialisiert seien. CDU und CSU müssten den “fatalen Fehler” im Koalitionsvertrag rückgängig machen und sich unmissverständlich zum Lebensschutz bekennen.

Der Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl sagte dem Portal, ihm scheine die Formulierung im Koalitionsvertrag “keinesfalls zwingend auf eine Legalisierung” von Schwangerschaftsabbrüchen hinauszulaufen. Dass für Frauen in Konfliktsituationen der Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglicht werde, sei ein Gebot der Fairness. Die Absicht, die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus zu erweitern, sei dagegen “ausgesprochen diffus und unpräzise”.

In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) hatte die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa bereits 2024 vorgeschlagen, dass die Krankenkassen die Kosten für eine Abtreibung übernehmen könnten. In allen Fällen, in denen der Abbruch nicht strafbewehrt sei, sollten die Kosten erstattet werden können, so Welskop-Deffaa.