DDR 1953: Staatliche Schikane gegen Junge Gemeinde und Volksaufstand am 17. Juni

Hunderte Schüler*innen wurden kurz vor dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 der Schule verwiesen. Eine Woche später brachen die Aufstände los.

Russischer Panzer T 34 in der Leipziger Innenstadt am 17. Juni 1953
Russischer Panzer T 34 in der Leipziger Innenstadt am 17. Juni 1953Bundesarchiv, CC BY-SA 3.0

Vor 70 Jahren gingen in der DDR über eine Million Menschen auf die Straße. Sie forderten bessere ­Lebens- und Arbeitsbedingungen, vor allem aber freie Wahlen. Kurz zuvor protestierten Kirche und Jugendliche gegen die Hetze der DDR-Behörden gegenüber der Jungen Gemeinde als angeblicher Tarn­organisation des Westens. Auch heute protestieren junge Menschen.

Plötzlich war es vorbei. Drei Monate Treibjagd des DDR-Regimes gegen junge Christen fanden ein abruptes Ende. Am 10. Juni 1953 ließ man von den bildungsorientierten ­jungen Leuten, die sich unter dem Namen „Junge Gemeinde“ in fast ­jedem noch so kleinen Dorf der DDR versammelten, wieder ab. Was war passiert? Führende SED-Genossen kamen aus Moskau mit der Weisung zurück, eine Kampagne einzustellen, deren Kernlüge war: „Junge ­Gemeinde ist Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage im USA-Auftrag.“ An Absurdität nicht zu überbieten war der sehr handfeste Teil der Aktion, Hunderte von Schülerinnen und Schülern kurz vor dem Abitur von den ­Schulen zu verweisen. Eine Woche später brachen im ganzen Land Aufstände los, Demonstrationszüge formierten sich, forderten die Rücknahme von Repressionen und Lohndrückerei.

Protestierende junge Menschen einst und jetzt

Die blutige Niederschlagung ­dieser Proteste bildete den Auftakt einer Reihe von Aufständen im ­gesamten, unter sowjetischer Vorherrschaft stehenden Europa. Viele der jungen Leute, deren Leben in der Jungen Gemeinde einen empfindlichen Schlag erlitten hatte, verließen mit Hunderttausenden das Land. Die Jungen Gemeinden leerten sich, nur Wenige blieben – ein Erfolg des ­Regimes. Der eiserne Vorhang rasselte ­herunter.

Nach 70 Jahren lohnt sich der Blick auf die bildungshungrigen, idealistischen Jungen: Hatten sie ­etwas gemeinsam mit der „Letzten Generation“, jener Klimajugend­bewegung, über die gerade so erbittert gestritten wird? Was beide verbindet, ist der Anspruch, in einer leicht missionarisch gestimmten Gemeinschaft eine bessere Welt zu suchen, ein elitäres Bewusstsein in Distanz zum Mainstream der Gesellschaft.

Unterschied zur Letzten Generation

Was sie unterscheidet, ist die Haltung zur Hoffnung. Während sich die Klimajugend apokalyptisch als letzte lebende Generation inszeniert, war der Wahlspruch der Jungen Gemeinde: Werft euer Vertrauen nicht weg! Das möchte man auch heute jungen Menschen zurufen. Die existenzielle Krise jenes Jahres 1953 konnte die Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel nicht ­ersticken.

Zum Weiterlesen: „Die Junge Gemeinde“, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., www.jugendopposition.de/145421

Ellen Ueberschär zum „Kirchenkampf“ im Vorfeld des 17. Juni. In: Greschat, Martin & Jochen-Christoph Kaiser (Hg.), Die Kirchen im Umfeld des 17. Juni 1953, Stuttgart 2003

Weitere Informationen auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de/themen/deutsche-teilung/der-aufstand-des-17-juni-1953/