“Das Wetter hat seine Leichtigkeit verloren”

Diplom-Meteorologe Sven Plöger befasst sich seit seiner Jugend mit dem Wetter. Der beim Blick in den Himmel zu den Wolken faszinierte ihn. Seit vielen Jahren moderiert er das „Wetter im Ersten“.

Ein Windsack zeigt an, aus welcher Richtung und wie stark der Wind weht.
Ein Windsack zeigt an, aus welcher Richtung und wie stark der Wind weht.Unsplash/Mark Konig

Das Wetter – im Smalltalk ein beliebtes Thema. Dazu gibt es immer was zu sagen. Erleben Sie das auch so?
Sven Plöger: Es hat sich verändert. Das Thema Wetter hat an Leichtigkeit verloren. Früher wurde ich gefragt, wann wieder mal schönes Wetter ist. Damit war gemeint, wann die Sonne scheint. Heute werde ich eher gefragt, wann es denn endlich mal wieder regnet. Das Interesse an Wetter-themen ist größer geworden – Stichwort Klimawandel. Ich erlebe bei vielen Menschen das Bedürfnis, die Dinge zu verstehen.

Dazu tragen Sie mit Vorträgen und Ihren Büchern auch einiges bei.
Es ist mir ein großes Anliegen, Wissen und Zusammenhänge zu vermitteln. Ich möchte dadurch, dass Physik verstanden wird, dass Menschen eine Haltung zum Klima­wandel entwickeln. Denn die Ahnungslosigkeit ist groß. Das Wissen nimmt zwar zu. Wir erleben, dass Dinge eintreten, die die Wissenschaft vor 30 oder 40 Jahren angekündigt hat. Und die meisten Menschen nicken, wenn es heißt, Klimaschutz ist wichtig. Dennoch passiert zu wenig, wir haben ein Handlungsproblem.

Lücke zwischen Handeln und Intention der Menschen

Wie erklären Sie sich das?
In dem Moment, wo es darum geht, konkrete Entscheidungen im eigenen Handeln zu treffen, dann passiert bei den meisten Menschen nichts. Deswegen ist die Entwicklung so, wie sie ist. Damit meine ich den Bereich des einzelnen Menschen, aber auch den von Konzernen oder ganzen Ländern. Die Evolution macht es uns dabei nicht leicht. Sie hat uns mit der Idee in die Welt gesetzt, Kräfte zu sparen, um bei unmittelbarer Bedrohung agieren und uns in Sicherheit­ bringen zu können. Wenn es diese Bedrohung nicht gibt, dann halten wir an lieb­gewonnenen Gewohnheiten fest. Der Klimawandel verlangt von uns nun das Gegenteil, nämlich frühzeitig zu handeln um einen schleichenden Prozess in den Griff zu bekommen. Darin sind wir leider erkennbar schlecht.

Also klafft da eine Lücke zwischen dem, was Menschen wollen und dem, was sie tun?
Die Erkenntnis ist da, aber die Handlung fehlt. Da gibt es die Wunschwelt, in der alles gut ist oder wird, und dann gibt es da die physikalische Welt. Am Ende gewinnt immer die Realität. Je weiter wir weg kommen von der Realität, desto tiefer fallen wir.

Das klingt drastisch.
Ist es ja auch. Aber mir geht es nicht darum, Panik zu machen und zu drohen. Sondern ich möchte durch Wissen und anschauliche Darstellung – ohne Übertreibung Richtung Apokalypse – eine Haltung generieren. Dass jedem und jeder klar ist, wo wir stehen und was das eigene Verhalten bewirken kann. Wenn man „A“ sagt und „B“ macht, darf man sich nicht wundern, dass „A“ nicht wirkt. Wenn ich mir das Verhalten vieler Menschen anschaue, bin ich mir da nicht so sicher, ob wir wirklich „die Krone der Schöpfung“ sind. Aber nochmal zurück zu meinem Anliegen. Ich finde klare Worte, rede nichts schön. Aber dann lege ich Wert darauf, auch immer einen Ausweg aufzuzeigen.

Wetter-Experte Sven Plöger

Wie kann der aussehen?
Bequem ist er nicht, das liegt in der Natur der Sache. Was wir uns – trotz einer geopolitisch derzeit nun schwer zu ertragenden Lage mit vielen sich überlagernden Krisen bis hin zum unerträglichen Krieg in der Ukraine – erhalten müssen, ist der begründete Optimismus. Wir kennen die Stellschrauben, müssen sie nutzen und unsere Erfolge auch sichtbar machen. Das macht Mut für andere. Ich möchte Menschen ermutigen, bei Kleinigkeiten anzufangen und die Realität nicht auszublenden. Ich versuche, nicht zu missionieren oder eine Ideologie zu verkünden, sondern ich versuche, komplizierte Naturwissenschaft zu übersetzen, um am Ende eine Haltung gegenüber dem Thema zu generieren. Es muss bei jeder und jedem aus dem Inneren kommen, sich klimafreundlich zu verhalten. Wenn man jemandem Vorschriften macht, kommt es eher zu einer Art „pubertärem Widerstand“.

Sie engagieren sich für Organisationen wie „Brot für die Welt“, World Vision oder das Kinderhospiz Bethel. Haben Sie einen Bezug zu Kirche und zum christlichen Glauben?
Durch meine Eltern bin ich da verbunden. Sie waren beide immer in ihrer evangelischen Gemeinde aktiv. Der soziale Gedanke, andere zu unterstützen – das war ihnen immer wichtig. Daher kommt das bei mir. Die Organisationen und Einrichtungen haben mich angefragt. Ich habe mir das alles angeschaut und habe dann aus innerer Überzeugung gefunden, dass ich mich da einsetzen möchte. Für mich selbst spielt der Glaube eine Rolle, weil er Halt geben kann. Hyperkonsum in einem Hamsterrad der Art „schneller, höher, weiter, mehr“ kann das nicht. Leider besteht bei Religionen aber auch immer die Gefahr das sie missbraucht werden…

Bewahrung der Schöpfung ist ja auch ein christliches Thema.
Zu diesem Thema bin ich auch schon zu „Kanzelreden“ eingeladen­ worden, was ich sehr gern gemacht habe. Die Schöpfung bewahren hat viel mit Respekt zu tun. Wenn ich nachhaltig lebe, bringe ich den Ressourcen auch Respekt entgegen. Leider fehlt uns dieser Respekt an zu vielen Stellen.

Respekt vor den Lebenselixieren

Respekt – wovor genau?
Vor unseren Lebenselixieren. Wir müssen uns mal klar machen wie wichtig Luft ist: Nach drei Minuten ohne ist es vorbei. Oder Wasser: Da ist es nach drei Tagen ohne vorbei. Wir verbrauchen die Ressourcen von 1,8 Erden. Aber wir haben nur eine. Es gehört sich nicht, so respektlos damit umgehen. Wir werfen so viel Nahrung weg und missachten die Schöpfung. Das Problem ist, dass wir keine direkten Auswirkungen unseres Handelns sehen. Da muss der Mensch dringend umdenken. Jetzt.

Wie sind Sie vom Wetter, der Meteorologie­ zur Klimathematik gekommen?
Mir wurde der Klimawandel deutlich bewusst, als 1999 der Sturm „Lothar“ gewütet hat. Damals waren wir in unserem Haus auf einem Berg auf 1100 Meter Höhe. Dann kamen diese Windböen bis zu 179 Kilometer pro Stunde. Wir mussten Schutz suchen. Am stabilsten ist immer der kleinste Raum und so haben wir uns im Gäste-WC aufgehalten. Von da konnten wir den Sturm verfolgen und ich habe nie so viele Bäume gleichzeitig umfallen sehen. Diese Kräfte sind entstanden durch Veränderungen, die wir als Mensch diesem Planetensystem zufügen. Was, wenn irgendwann Kräfte freigesetzt werden, die wir nicht mehr beherrschen können? Da wollte ich mehr verstehen.

Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis?
Eine schockierende Erkenntnis war und ist, dass wir mit unserem Verhalten mit wenig viel Übles auslösen können. Zum Beispiel das Ozonloch, das ist vom Menschen gemacht. Wir brauchen die Naturwissenschaft, um zu verstehen, was geschieht. Um zu wissen, was wir dagegen tun können. Und jeder und jede kann etwas tun.