Das Wesen des Staubsaugers in einer Outsider-Art-Ausstellung

Faszination Haushaltsgeräte: Der Künstler Lutz Möller widmet sich in einer Ausstellung in Braunschweig den Geräten, die unser Leben leichter machen.

Lutz Möllers Zeichnung „Bügelbrett mit Bügelwäsche“ ist in Braunschweig zu sehen.
Lutz Möllers Zeichnung „Bügelbrett mit Bügelwäsche“ ist in Braunschweig zu sehen.Lutz Möller

Einem Künstler bei der Arbeit über die Schulter schauen – eine Gelegenheit, die Kunstinteressierte nicht oft bekommen. In der gerade eröffneten Ausstellung „Das Wesen des Staubsaugers“ mit Werken von Lutz Möller ist dies möglich – und noch viel mehr. Möller kommt gerne mit Besuchern ins Gespräch, um mit ihnen über sein Lieblingsthema zu reden: Haushaltsgeräte.

Der 64-Jährige zeichnet Staubsauger, Bügeleisen, Bügelbretter, Toaster, Rührgeräte, Waschmaschinen. Mit schnellen Strichen hält er ihre charakteristische Form immer wieder auf einem weißen Blatt Papier fest. Mit der linken Hand umklammert Möller den Bleistift, zeichnet eine lange Linie, an die er dann kleine und größere Rechtecke anfügt – und auf einmal sieht man eine Wäscheleine mit im Wind wehenden Kleidungsstücken vor sich. Oder er skizziert ein Staubsaugermodell, das es ihm besonders angetan hat: den millionenfach verkauften „Kobold“ der Firma Vorwerk, bei dem sich der Beutel nach dem Einschalten deutlich aufbläst.

Details von Haushaltsgeräten

Eine besondere Ausstellung in einer besonderen Galerie: Hinter dem Namen „Geyso 20 atelier–galerie-sammlung“ verbergen sich Kunsträume der Lebenshilfe Braunschweig. Derzeit sind hier 24 Menschen, die von der Lebenshilfe betreut werden, fast täglich künstlerisch tätig. 1992 startete das Ganze als Modellprojekt des Bundesverbandes Lebenshilfe, um Menschen mit Beeinträchtigungen einen Freiraum für ihren künstlerischen Ausdruck zu bieten und einen Ort für den Austausch mit Besuchern zu schaffen.

In der Ausstellung werden auch Bügeleisen und Staubsaugerdüsen sowie Kataloge von Haushaltsgeräteherstellern präsentiert, die Möller sammelt. Für die Betrachter wirkt es oft faszinierend, mit welcher Hingabe sich Möller mit Alltagsgegenständen beschäftigt, deren Details vielen verborgen bleiben.

Freude über die neue Kaffeemaschine

Ein in der Ausstellung laufender Film zeigt Möller bei seiner Arbeit im Atelier, in dem er auch über die Bedeutung der Gegenstände spricht. Er erinnert sich an das alte Bügeleisen seiner Mutter, mit dem sie 17 Jahre lang gebügelt hat. Er berichtet freudig über die neue Kaffeemaschine in seinem Wohnheim. Und er lässt es sich nicht nehmen, im Atelier mit dem Staubsauger in der Hand selbst für Sauberkeit zu sorgen. „Sauberkeit und Ordentlichkeit sind ihm wichtig. Mit der Masse seiner Zeichnungen zeigt Möller, dass er immer wieder in der Lage ist, seine Lieblingsobjekte aufs Papier zu bringen“, so Thomas Röske, Direktor der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg, bei der Ausstellungseröffnung.

Zur Sammlung Prinzhorn gehören weltweit einmalig 8000 bis 1945 entstandene Arbeiten von Insassen psychiatrischer Anstalten. Sie wurden von den Nationalsozialisten als Beispiel für entartete Kunst präsentiert, etliche Künstler getötet. Zur heutigen Sammlung gehören zudem rund 40 000 Werke aus der Zeit ab 1980.

„Das Wesen des Staubsaugers“ ist Möllers erste Einzelausstellung

Arbeiten von Möller wurden unter anderem in Ausstellungen mit sogenannter Outsider-Kunst in Berlin, München, Köln und Chicago gezeigt – für Experten ist seine Art zu zeichnen einzigartig. Neun seiner insgesamt mehr als 1600 Zeichnungen befinden sich in der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.

„Das Wesen des Staubsaugers“ ist Möllers erste Einzelausstellung. Er freut sich, wenn sein Lebensthema bei anderen Menschen auf Interesse stößt – bei der Eröffnung zeigte er sich von so vielen Besuchern und dem Film über ihn begeistert.

Bis 5. Juli in der Geysostr. 20 in Braunschweig. Montags bis freitags 13-17 Uhr. Am 9. Juni um 15 Uhr spricht Lutz Möller dort über seine Arbeiten.