Diskutiert wird heute: Wozu muss eigentlich Strafe sein? Kann Strafe Menschen bessern und Tor zur Versöhnung sein?
Von Manfred Lösch„Strafe muss sein!“ „Wer nicht hört, muss fühlen!“ Mit solchen Leitsätzen wurden und werden unendlich viele Kinder ins Leben geschickt – vielleicht noch mit der Begründung „Wir strafen dich doch nur, weil wir dein Bestes wollen.“ Das bewusste Zufügen von Leid, Schmerz oder fühlbaren Nachteilen gehört auch in unserer aufgeklärten, modernen Gesellschaft zum Instrumentarium der Disziplinierung im privaten und im gesellschaftlichen Leben. Aber: Strafen tastet die Würde des Menschen an, wirkt sich häufig negativ auf das Selbstwertgefühl, die Fähigkeit zu Vertrauen, zur Beziehungsfähigkeit und auf das soziale Verhalten des Bestraften aus. Was also rechtfertigt das Strafen, für das der Staat das Strafrecht und Gefängnisse bereithält?Die unmäßige Strafpraxis mit Körper- und Todesstrafen auch in unserem Kulturkreis war bis in das vorige Jahrhundert dem Gedanken der Vergeltung, der Sühne, geschuldet sowie der Durchsetzung des Rechts und dem Erhalt der Macht. Im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Denker verschiedene Straftheorien, die sich in den Positionen protestantischer Theologen seither spiegeln. Da ist einerseits die absolute Straftheorie (zum Beispiel bei Immanuel Kant). Nach ihr ist Strafen eine ethische Notwendigkeit, ein kategorisches Erfordernis der Vernunft: Strafe muss sein, um des Strafens willen. Sie dient der Verwirklichung des Ideals von Gerechtigkeit und bedarf keiner weiteren Zielsetzung oder Begründung. In der Theologie wurde diese selbstverständliche Bejahung des Prinzips der Strafe verbunden mit der Berufung auf den Willen Gottes: „Die Strafe hat ihren Eigen-Sinn als Sühne, das heißt Wiederherstellung der Rechtsordnung in ihrer Heiligkeit“, behauptete der lutherische Theologe Paul Althaus noch Mitte des vorigen Jahrhunderts.
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