Das Stichwort: Verschickungskinder

Zwischen Ende der 1940er bis in die 1980er Jahre hinein wurden in der Bundesrepublik rund zwölf Millionen Kinder in Kurheime verschickt. Sie sollten dort gesundheitlich aufgepäppelt werden. Häufig spielten ein zu geringes Gewicht oder Erkrankungen eine Rolle. Zudem konnten sich viele Familien einen Urlaub nicht leisten. Die Kosten trugen die Krankenkassen.

Oft wurde der Erfolg der Kur an der Gewichtszunahme gemessen. Doch viele Mädchen und Jungen kehrten traumatisiert zurück. Sie berichteten unter anderem von Essenszwang durch das Pflegepersonal bis hin zum Erbrechen sowie von harten Strafen wie Schlafentzug oder Ans-Bett-Fesseln. Der Verein „Initiative Verschickungskinder“ zur Aufarbeitung und Erforschung von Kinder-Verschickungen hat rund 20 Todesfälle dokumentiert, die offiziell größtenteils als Unfälle deklariert wurden.

Nach Angaben des Vereins gab es bundesweit rund 1.900 Heime unter anderem auf den nord- und ostfriesischen Inseln, in den Hoch- und Mittelgebirgen sowie in Kurorten. Betrieben wurden sie häufig von freigemeinnützigen Trägern wie der Diakonie, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt oder vom Deutschen Roten Kreuz. Viele Heime standen auch in privater Trägerschaft oder wurden von Kommunen getragen.

Ende 2019 kamen erstmals Betroffene zu einer bundesweiten Konferenz auf Sylt zu einem Austausch zusammen, um das Erlebte aufzuarbeiten. Sie fordern vom Bund mehr Engagement bei der Aufarbeitung von Missständen in Kinderkurheimen, beispielsweise eine öffentlich finanzierte Anlaufstelle zur Beratung und Vernetzung und ein Dokumentationszentrum. Bisher beschränken sich die Bemühungen auf einzelne Bundesländer.