Das letztes Abendmahl am Airport

In Pandemiezeiten wirkt ein Flughafen verlassen und beinahe trostlos. Das brachte Flughafenseelsorger Karl-Martin Harms auf die Idee, genau dort ein Video der Ostergeschichte zu drehen.

Peer Schladebusch (links) Industriepfarrer der Landeskirche Hannover und Flughafenseelsorger Karl-Martin Harms, spielen in der Kapelle des Flughafens Hannover-Langenhagen eine Passage der Passions- und Ostergeschichte nach.
Peer Schladebusch (links) Industriepfarrer der Landeskirche Hannover und Flughafenseelsorger Karl-Martin Harms, spielen in der Kapelle des Flughafens Hannover-Langenhagen eine Passage der Passions- und Ostergeschichte nach.epd/Carsten Kalaschnikow

Langenhagen/Reg. Hannover. Sie schauen ungläubig, die drei jungen Leute, die zufällig an der Flughafenkapelle vorbeikommen. Einer zieht einen Koffer hinter sich her. Hinter ihren Masken lässt sich ein Grinsen erahnen, sie gehen am Kameramann vorbei, nach einigen Metern stecken sie die Köpfe zusammen und tuscheln sich etwas zu. „Den quietschenden Koffer hat man gehört“, sagt der Kameramann zu Petrus und Judas. Also noch einmal von vorn.

Wieder und wieder sagen Flughafenseelsorger Karl-Martin Harms (Judas) und Industriepfarrer Peer Schladebusch (Petrus) ihren Text auf. „Ich war dabei, als ich ihn verleugnete ? Schei?!“, entfährt es Harms. Am Ende eines langen Drehtages lässt die Konzentration nach, die Souffleuse springt ihm mit dem richtigen Text bei. Rund 35 Beteiligte haben am Flughafen Hannover-Langenhagen die biblische Passions- und Ostergeschichte verfilmt. Mehr als sechs Stunden dauert der Dreh, am Ende soll ein 20-minütiges Youtube-Video stehen. Der Flughafen ist in diesen Tagen fast menschenleer und doch ist er voller Geräusche. Ab und an das Rattern eines Rollkoffers, regelmäßig die Durchsage „Sicherheitshinweis: Lassen Sie ihr Gepäck niemals unbeaufsichtigt!“.

„Das hier ist eine Räuberhöhle!“

Die Kameramänner Claus-Dieter Hoff und Tim Gohla nehmen es mit Humor und behalten den Überblick. „Hattest du in der vorigen Szene auch schon die Ärmel hochgekrempelt?“, fragt Hoff den Judas-Darsteller. Anschlussfehler hieße das im Fachjargon, wenn er es nicht gemerkt hätte. Zuvor hat Jesus im Tempel gewütet. Er reißt eine Tischdecke herunter und wirft Geldsäcke zur Tür hinaus. „Was habt ihr aus dem Haus Gottes gemacht?“, zürnt er. „Das hier ist eine Räuberhöhle!“

Jesus will Theologie studieren, wenn er sein Abitur bestanden hat. Der 19-jährige Gymnasiast Luis Beimfohr aus Burgwedel spielt den Gottesssohn. Er kennt Pastor Harms aus seiner ehrenamtlichen Arbeit und hatte Lust auf das Projekt. Es wird viel gelacht am Set, doch Beimfohr wird ernst, als er von der Kreuzigungsszene spricht. Sie spielt auf der Versorgungsstraße im Keller des Flughafens.

Zwei Beamte der Landespolizei stellen ihn an eine Betonwand. Mit ihm werden der Vizechef der Sicherheitsfirma Securitas und der Pressesprecher der Bundespolizei gekreuzigt, die Kreuze sind mit Kreide an die Wand gemalt. „Das war schon ein bedrückendes Gefühl“, sagt der 19-jährige Jesus-Darsteller. „Man kann die Ostergeschichte so auf ganz andere Weise nachempfinden.“ Am Tag der Auferstehung wird er sich mit Judas, seinem Verräter, aussöhnen.

Viele Freiwillige haben beim Dreh mitgemacht

Flughafenseelsorger Harms hatte die Idee, Flughafenbedienstete für das Filmprojekt zu gewinnen. Und stieß auf offene Ohren. Securitas stellte acht Angestellte ab und bezahlte sie für die Zeit – sie sind ansonsten aktuell in Kurzarbeit. Ebenso wirkten Mitarbeiter der Bundes- und der Landespolizei, der Flughafenfeuerwehr sowie der Johanniter mit. „Bei vielen liegen wegen Corona die Nerven blank“, sagt Harms. „Der Dreh war für alle eine willkommene Abwechslung.“

Das Buch stammt von Landessozialpfarrer Dr. Matthias Jung, der schon mehrere Krippenspiele verfasst hat und eine bereits fertige Ostergeschichte für den Film und den Drehort Flugplatz umschrieb. Mehr als 3000 Euro kostet die Produktion, allein 750 Euro gingen für die Corona-Schnelltests aller Beteiligten drauf. „Das Lampenfieber fiel von mir ab, als alle negativ gestestet waren“, sagt Jung.

An verschiedenen Orten auf dem Gelände stellen die Laiendarsteller den Einzug in Jerusalem, die Tempelreinigung und das letzte Abendmahl nach. Die Auferstehung ist für 11 Uhr angesetzt. Sie spielt unter freiem Himmel im Park, der auch als Garten Gethsemane dient. Jesu Tod im Keller des Flughafens wird gegen Mittag gedreht. „Die Auferstehung ist also vor der Kreuzigung passiert“, sagt Jesus-Darsteller Luis Beimfohr und lächelt unter seiner FFP2-Maske. Dreharbeiten haben ihre eigenen Gesetze. (epd)