Das Fleisch bekommt sein Fett weg

Schnitzel, nein danke! Die Deutschen essen immer weniger Fleisch. Das liegt an ethischen Überlegungen – aber auch am Preis.

Schwein und anderes Fleisch kommt den Deutschen immer weniger auf den Teller
Schwein und anderes Fleisch kommt den Deutschen immer weniger auf den TellerImago / Westend 61

Es ist ein langsamer, aber doch stetiger Trend, der sich bei Landwirtschaft und Verbrauchern in Deutschland erkennen lässt: Es wird insgesamt fleischloser. Erneut hat das Statistische Bundesamt einen Rückgang in Fleischherstellung und -konsum gemeldet. Nach noch vorläufigen Zahlen produzierten die gewerblichen Schlachtunternehmen im vergangenen Jahr rund sieben Millionen Tonnen Fleisch und damit über acht Prozent weniger als noch im Vorjahr. Im Fünfjahresvergleich zu 2017 lag die Schlachtmenge sogar um fast 14 Prozent niedriger.

Ebenfalls rückläufig sind Im- und Exporte: Demnach wurden 2022 knapp drei Millionen Tonnen Fleisch und Fleischwaren aus Deutschland aus- sowie etwa zwei Millionen Tonnen eingeführt. Das entspricht laut Statistikern einem Rückgang von fast sieben Prozent beziehungsweise 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch hier sprechen die Fünfjahresvergleiche mit fast 20 Prozent Minus in der Aus- und rund 16 Prozent in der Einfuhr eine deutliche Sprache.

Agrarreform startet

Auch wenn sich der Rückgang mehr oder weniger stark durch alle Fleischsorten zieht, ist es doch auffälligerweise wieder die Schweinebranche, die ihr Fett am stärksten wegbekommt. 4,5 Millionen Tonnen Schweinefleisch wurden zuletzt in Deutschland produziert, annähernd 20 Prozent weniger als 2017. Im Import sank die Menge in fünf Jahren sogar um fast ein Viertel und liegt aktuell noch knapp über 700.000 Tonnen im Jahr.

Das ist insofern nicht unerheblich, als dass das Borstenvieh sozusagen der Pilot für eines der zentralen Projekte des Bundeslandwirtschaftsministeriums für die angestrebte Agrarreform ist. Noch in diesem Jahr soll nach Plänen von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung für Produkte aus Schweinefleisch im Handel kommen. Konsumentinnen und Konsumenten sollen dadurch befähigt werden, sich bewusst für das vermeintlich bessere Fleisch – also das aus tiergerechterer Haltung – entscheiden zu können. Dadurch werde langfristig der Umbau der Tierhaltung in Deutschland gefördert, so der Plan.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir plant eine Agrarreform
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir plant eine AgrarreformImago / Political Moments

Sukzessive sollen dann auch alle anderen Fleischsorten „durchadministriert“ werden. Das ein solches Mammut-Projekt nicht einfach umzusetzen ist, liegt in der Natur der Sache. Folglich mangelt es auch nicht an kritischen Stimmen zu dem Vorhaben. Verbraucherorganisationen wie Foodwatch sehen darin eine Verlagerung der politischen Verantwortung auf die Konsumenten. Zudem lasse eine Fokussierung nur auf Haltungsbedingungen etwa gesundheitliche Fragen außen vor und sei dementsprechend kein Garant für mehr Tierwohl.

Der Deutsche Bauernverband hingegen bemängelt, dass nur die Mastzeit der Tiere berücksichtigt werde, nicht aber ihre Aufzucht. So könnten Ferkel, die im Ausland nicht artgerecht aufgezogen wurden, in Deutschland später dennoch als Bio-Fleisch verkauft werden – eine „Einladung zur Verbrauchertäuschung“, kritisiert Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Ethik und Klima

Und apropos Verbraucher: Tatsächlich ist auch der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch zurückgegangen, laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Zehnjahresvergleich von 2011 zu 2021 um über zwölf Prozent auf zuletzt 55 Kilogramm. Aktuelle Studien belegen zudem eine hohe Bereitschaft innerhalb der Gesellschaft, die persönliche Ernährung umzustellen und etwa weniger tierische Kost zu essen.

Als Begründung werden dabei durchaus ethische und klimapolitische Gründe angegeben. Nicht zuletzt gilt die Tierhaltungsindustrie mit all ihren Handelswegen als wichtiger Faktor für den Klimawandel. Doch gerade im Hinblick auf die neuesten Zahlen sollten auch einfache wirtschaftliche Überlegungen nicht ignoriert werden. Denn auch die Fleischpreise stiegen zuletzt überdurchschnittlich, im vergangenen Jahr um fast 15 Prozent im Vergleich zu 2021. Neben allen Initiativen zu mehr Tierwohl und Umweltschutz sollten also die Fragen nach der Wirtschaftlichkeit bei Produzenten wie Konsumenten nicht außer Acht gelassen werden.