Damit es zuhause warm ist

Im Herbst 2022 haben sich Berufstätige über die Engergiepauschale gefreut, auf die Kirchensteuer fällig wurde. Die Kirchen wollen diese Mehreinnahmen bedürftigen Menschen zugutekommen lassen.

Sich wärmer anziehen – das hilft schon viel. Aber es wäre eine große Herausforderung, an kalten Tagen ganz auf die Heizung zu verzichten.
Sich wärmer anziehen – das hilft schon viel. Aber es wäre eine große Herausforderung, an kalten Tagen ganz auf die Heizung zu verzichten.Atlas

Wie hoch ist die Summe, die die Diakonie RWL verteilt und wie setzt sie sich zusammen?
Ulrich T. Christenn: Bundesweit – schätze ich – werden die evangelischen und katholischen Kirchen etwa 90 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung haben. Für die drei evangelischen Landeskirchen im Gebiet der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) sind es rund elf Millionen Euro, die wir als Energiehilfen ausschütten wollen. Die praktische Umsetzung ist dabei unterschiedlich geregelt: Für die Evangelische Kirche von Westfalen organisiert die Diakonie RWL das Verteilen der Energiehilfen komplett. Die Evangelische Kirche im Rheinland hat der Diakonie RWL rund ein Fünftel der Gesamtsumme zur Verfügung gestellt, über die restlichen 80 Prozent entscheiden Kirchenkreise und Kirchengemeinden vor Ort selbst. Meist wird es den regionalen Diakonischen Werken für Energiehilfen zur Verfügung gestellt. Und die Lippische Landeskirche wiederum verteilt die Energiehilfen eigenständig in enger Abstimmung mit uns (siehe unten). Konkret bedeutet dies, dass die Diakonie RWL 5,3 Millionen Euro im Gebiet der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) vergibt und 1,4 Millionen Euro im Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR).

Wie funktioniert die Beantragung?
Christenn: Wir haben ein niedrigschwelliges und schlank gehaltenes Online-Antragsformular entwickelt, das unter https://www.diakonie-rwl.de/energiehilfen-kirchen zu finden ist. Um hier einen Antrag zu stellen, ist eine einmalige Registrierung für das Diakonie RWL-Serviceportal nötig.

Wofür kann Geld beantragt werden?
Christenn: Es gibt drei Förderlinien: Die erste stärkt Beratungsstrukturen. Mit dem Geld werden beispielsweise Beratungsstellen personell verstärkt oder Beratungszeiten ausgeweitet. Für Maßnahmen im Gebiet der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) können bis zu 50 000 Euro beantragt werden, im Gebiet der EKiR sind es bis zu 25 000 Euro.
Heike Moerland: Bisher wurden Gelder dieser Förderlinie am häufigsten von allgemeinen Sozialberatungen beantragt. Die Beraterinnen und Berater dort schauen zunächst, wo konkret Unterstützung nötig ist: Geht es um die Antragstellung beim Jobcenter? Sind die Betroffenen verschuldet? Kann die Beratungsstelle selbst unterstützen oder brauchen die Klienten spezifische Hilfe? Dann bereitet die allgemeine Sozialberatung darauf vor oder begleitet sogar zum Termin. Aber auch Schuldner-, Schwangerschafts-, Migrations- oder Wohnungslosenberatungsstellen haben bereits ihre Angebote durch die Energiehilfen erweitert.

Aktion #wärmewinter

Was beinhaltet die zweite Förderlinie?
Christenn: Die zweite Förderlinie haben bisher vor allem Kirchengemeinden, aber auch kleinere diakonische Einrichtungen genutzt. Sie finanziert niederschwellige Angebote der von der Bundesdiakonie ins Leben gerufenen Aktion #wärmewinter. Hier können pro Projekt bis zu 10 000 Euro beantragt werden.

Welche Angebote umfasst die #wärmewinter-Aktion?
Moerland: Es sind vor allem Orte der Begegnung, bei denen soziale Interaktion und Beratungsangebote miteinander verbunden werden. Das können zum Beispiel Begegnungscafés oder Mittagstisch-Angebote sein, die durch Beratungsangebote ergänzt werden. Kreative Ideen sind uns herzlich willkommen! Wir freuen uns besonders, dass bei der Planung der Aktionen vor Ort viele Menschen aktiv werden und gemeinsam anpacken.

Heike Moerland

Werden die Energiehilfen nicht direkt an Bedürftige ausgezahlt?
Christenn: Doch, über die dritte Förderlinie. Hier können Beratungsstellen im Gebiet der EKvW im ersten Schritt pauschal bis zu 20 000 Euro beantragen, um sie vor Ort in kleineren Summen in besonderen Härtefällen an Bedürftige auszuzahlen. Dabei achten die Beraterinnen und Berater sehr genau darauf, dass auf der einen Seite wirklich eine Bedürftigkeit vorliegt und auf der anderen Seite keine staatlichen Leistungen vergessen oder durch die Energiehilfen geschmälert werden. Denn: Bei Menschen in Sozialleistungsbezug werden womöglich staatliche Leistungen gekürzt, wenn die Betroffenen zusätzliche Mittel bekommen. Uns ist dabei wichtig, dass Einzelfallhilfen immer mit Beratung und weiterer Unterstützung verbunden sind: Denn Bargeld allein hilft nicht.
Moerland: Das stimmt. Die diakonischen Beratungsstellen unterstützen Betroffene langfristig. Sie helfen bei unterschiedlichen Problemlagen – auch dabei, staatliche Mittel zu beantragen. Mit einer Ausweitung der Beratung haben viele Menschen die Chance, sich zu informieren, welche Hilfen sie bekommen können. Manche sind bisher ganz gut klargekommen, aber durch die gestiegenen Energiekosten geraten jetzt einige, die bisher keine Sozialleistungen bezogen haben, an ihre Grenzen. Die Beratungsstellen bieten Hilfen an, damit die Betroffenen dauerhaft über die Runden kommen.

Wie viele Anträge sind bisher eingegangen?
Christenn: Bisher sind fast 80 Anträge eingegangen: In der Förderlinie, die Beratungsstrukturen verstärkt, wurden bei insgesamt 34 Anträgen rund 1,3 Millionen Euro beantragt. Bei 24 Anträgen für „Wärmewinter“-Projekte wurden insgesamt 160 000 Euro beantragt. Und bei 17 Anträgen für Einzelfallhilfen wurden 340 000 Euro beantragt. Bisher wurden also insgesamt 1,8 Millionen Euro bei der Diakonie RWL beantragt, und die ersten Bewilligungen sind bereits ausgezahlt. Anträge können übrigens auch rückwirkend gestellt werden für Projekte und Aktionen, die bereits Ende 2022 begonnen haben.

Ulrich T. Christenn

Muss man sich beeilen, um noch Gelder zu beantragen?
Christenn: Nein, es steht im Moment noch genügend Geld zur Verfügung.
Moerland: Wir rechnen damit, dass die Energiekosten bis Ende 2024 auf einem sehr hohen Niveau liegen werden. Sie sind nicht erst durch den Angriffskrieg auf die Ukraine gestiegen: Auch Entwicklungen aufgrund der Pandemie und der Ausbau von erneuerbaren Energien haben zu Preissteigerungen geführt.
Christenn: Wir gehen davon aus, dass im Frühjahr/Sommer viele Beratungsstellen einen größeren Zulauf bekommen, weil dann viele Nebenkostenabrechnungen und Nachzahlungen fällig werden. Die von uns verteilten Energiehilfen können noch bis in den kommenden Winter hinein genutzt werden. Die Träger vor Ort können das flexibel gestalten – ganz nach Bedarf vor Ort.