DAK-Vorstand: „Brauchen grundlegende Reform der Pflegeversicherung“

Das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Job könnte künftig die Situation der beruflichen Pflege verschärfen. Der neue DAK-Pflegereport belegt, dass bereits in fünf Jahren in den ersten Bundesländern die professionelle Pflegeversorgung wegen Fachkräftemangels auf der Kippe steht. „Die soziale Pflegeversicherung droht ihre Funktionsfähigkeit zu verlieren“, sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm am Dienstag bei der Vorstellung der Studie in Berlin. „Wir brauchen eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung, um die Pflege mit neuen Versorgungskonzepten zukunftsfähig zu machen.“

Das Problem: Immer mehr Pflegebedürftige und beständig abnehmende Personalressourcen strapazieren das Versorgungssystem. Mit den nahenden Renteneintritten der geburtenstarken Jahrgänge zwischen Ende der 50er und Mitte der 60er Jahre werde auch die Zahl der Pflegefachkräfte signifikant sinken – und zugleich die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich anwachsen.

In der Pflegeversorgung drohen in den meisten Bundesländern bei der Personalversorgung schon zum Ende dieses Jahrzehnts „Kipppunkte“. In Bremen und Bayern wird das den Berechnungen zufolge bereits 2029 der Fall sein. Zu vermeiden seien diese Engpässe nur, wenn weiterhin genügend Nachwuchskräfte gefunden würden und die Ausbildungszahlen nicht wieder sänken. „Aufgrund des sehr lokal geprägten Arbeitsmarktes variieren die Kipppunkte stark auf der Landkreis- und städtischen Ebene innerhalb der Bundesländer“, sagte Studienautor Thomas Klie vom Freiburger Sozialforschungsinstituts AGP. Selbst in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Thüringen, die rechnerisch weiterhin über eine Personalreserve verfügten, sei der Arbeitsmarkt praktisch leer gefegt.

Die Daten seien besorgniserregend, so Klie: „Für 2025 liegt die Prognose bei 9.664 Renteneintritten, denen 36.004 Berufseinsteiger gegenüberstehen. Das entspricht einer Arbeitsmarktreserve von 2,0 Prozent.“ Bis 2030 sinkt sie laut Knie jedoch auf 0,5 Prozent ab.

Auch finanziell ist die Pflegeversicherung unter Druck: Die DAK-Gesundheit rechnet spätestens im Jahr 2025 mit einem weiteren Anstieg der Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung. Bereits für das vierte Quartal 2024 zeichneten sich deutliche Finanzierungslücken ab, „die voraussichtlich Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr erforderlich machen“, heißt es in dem Bericht. Die DAK geht von einer Steigerung um 0,2 Prozentpunkte aus.

Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im vergangenen Jahr abgegebene Versprechen einer zumindest kurzfristigen Stabilisierung der Pflegefinanzen bis zum Ende der laufenden Wahlperiode sei wohl nicht mehr zu halten“, sagte Storm. Nach seinen Worten ist die gesetzliche Vorgabe, eine Monatsausgabe aller Pflegekosten als finanzielle Mindestreserve vorzuhalten, nicht mehr gewährleistet.

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) betonte, man werde nie wieder so viel Pflegepersonal zur Verfügung haben wie jetzt. Aber entgegen dem, was der Begriff „Kipppunkt“ suggeriere, sei die Versorgungskrise abwendbar, sagte Präsident Thomas Greiner in Berlin. Er forderte einen flexibleren Personaleinsatz in der Altenpflege.

Eugen Brysch, der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, forderte, bevor über eine weitere Beitragserhöhung nachgedacht werde, müsse die Pflegeversicherung erst von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden. Dann stünden immerhin zusätzlich sieben Milliarden Euro für die Pflege der fünf Millionen betroffenen Menschen zur Verfügung.