“Dahomey” – Doku über die Rückgabe von Raubkunst nach Benin

Aufwühlende und spannungsreiche Doku über die Rückgabe von 26 afrikanischen Statuen aus dem alten Königreich Dahomey ins heutige Benin, wo ihre “Restitution” kontrovers diskutiert wird.

Ein junger Mann nennt es “Zeug” oder “Sachen”. Wie soll er auch einen Begriff für etwas finden, das er nicht kennt und zu dem er nie ein Verhältnis herstellen konnte, weil “es” schlichtweg nicht da war? Er sei mit Disney und “Avatar” aufgewachsen, sagt ein anderer, dabei sollten doch Geschichten wie die von König Ghezo fester Bestandteil des kulturellen Erbes sein. Einer jungen Frau sind die Objekte fast etwas unheimlich; für sie sind sie mehr als “Sachen”.

Gegenstand der leidenschaftlich geführten Debatte an einer Uni in Benin ist die Rückgabe von 26 Kulturgütern aus dem “Schatz von Abomey”. Nachdem sie 1892 von den französischen Kolonialtruppen im damaligen Königreich Dahomey, dem heutigen Benin, gestohlen wurden, kehrten sie im November 2021 im Rahmen eines feierlichen Staatsakts an ihren Herkunftsort zurück, um irgendwann in den Vitrinen eines eigens für sie errichteten Museums Platz zu finden.

In den Medien wurde ihre Rückkehr als historisch gefeiert. Doch von den Studierenden kommt Widerspruch. Die Restitution sei eine “Imagekampagne” des französischen Präsidenten Macron. Und dass von 7,000 Objekten gerade mal 26 zurückgegeben wurden, sei zutiefst beschämend. Für andere dagegen ist die Rückgabe ein bedeutender symbolischer Akt und der Beginn eines wichtigen Prozesses.

Eine Wortmeldung folgt der nächsten, jede und jeder hat etwas beizutragen, die Dringlichkeit zeigt sich in den Gesichtern der jungen Menschen, in ihren Stimmen, Gesten und Blicken. So unterschiedlich die Beurteilung der “historischen” Rückgabe dabei auch ausfällt, wird eines doch deutlich: dass die Kolonialherrschaft nicht nur Leben, Tradition und Sprache vernichtet, sondern auch einen wichtigen Teil der kollektiven Geschichte geraubt hat.

Dafür steht etwa der Eiffelturm, Wahrzeichen von Paris und der Grande Nation, als unzählige Male reproduzierter Souvenirkitsch am Seineufer. Die leuchtenden, auf ausgebreiteten Tüchern präsentierten “Dinger”, von zumeist Geflüchteten aus Afrika zum Verkauf angeboten, sind in “Dahomey”, der Dokumentation der französisch-senegalesischen Filmemacherin und Schauspielerin Mati Diop, das erste Bild.

Der 67 Minuten kurze Film deutet den Begriff “Restitution”, wie die Rückerstattung geraubter, unrechtmäßig enteigneter, erpresster oder zwangsverkaufter Kulturgüter genannt wird, auf eigene Weise. Er gibt einem der geraubten Artefakte, mit “Nr. 26” beziffert, eine Stimme, und beseelt das vor seiner Reise “nach Hause” in der Transportkiste im Pariser Musée Quai Branly liegende Objekt.

“Warum habe ich keinen Namen?”, wundert sich die Nr. 26 aus dem Schwarz der Leinwand. Wer da spricht, ist die Statue von König Ghezo, eine Holzfigur mit Lendenschurz und geballter Faust, ausgewählt als “schönstes Objekt”. Seine Worte stammen von dem haitianischen Schriftsteller Makenzy Orcel, dem Autor von “Une somme humaine” und Gewinner des Anna-Seghers-Preises 2023. Klugerweise umgeht Diop die Gefahr, ihren Kunstgriff zu “naturalisieren”. Die Stimme ist artifiziell, elektronisch generiert. Mit ihrem tiefen, rollenden Klang könnte sie auch aus einem Science-Fiction-Blockbuster kommen.

“Dahomey” folgt den Objekten auf ihrer Reise von Paris nach Benin, von Museum zu Museum. Sie werden fotografiert und mit Stoffhandschuhen in gepolsterte Kisten gebettet, die ein wenig an Särge erinnern. Für die Statue des Königs geht eine 130-jährige Gefangenschaft zu Ende. Doch der Rückkehr sieht sie ein wenig bange entgegen: Sie hat “Angst, nicht erkannt zu werden, und nichts zu erkennen”.

Am Flughafen in Cotonou werden die restituierten Kunstschätze in den Präsidentenpalast gebracht, wo sie bis heute ausgestellt sind. “Ist die Reise hier zu Ende?”, fragt die körperlose Stimme. Erneut wird der Inhalt begutachtet und registriert, es folgen Werkangaben zu Gewicht, Material und Maßen durch einen Kurator.

Dass “Dahomey” abseits der beiden Stränge – die Stimme des Objekts und die Debatte – etwas zerfasert, nimmt dem Film nichts von seiner aufwühlenden Wirkung. Wenn die Nacht anbricht und König Ghezo in seiner Vitrine zurückbleibt, füllen sich die Straßen mit Leben. Und die Fragen der jungen Menschen arbeiten weiter.