Da ist Gott drin

Über die Heiligkeit von Kirchenräumen schreibt Johann Riedel. Er ist Pastor in Gülzowshof in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll. “ aus Jesaja 6,3
Wo erleben wir eigentlich die Heiligkeit Gottes, von der in der Berufungsvision von Jesaja so vollmundig die Rede ist? Nachdem Fulbert Steffenski mit seinem kleinen Neffen eine reformierte Kirche in den Niederlanden besucht hatte, stellte der Junge angesichts der kärglichen Einrichtung fest: „Ist kein Gott drin.“ Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie Menschen auf Kirchengebäude reagieren: Entweder mit tiefer Faszination zum Beispiel bei den großen und schönen Kirchen, oder eben mit dem nüchternen Urteil.
Eine ganz ähnliche Reaktion erlebte ich, als ich mit meinen Eltern eine Wellblechhütte im Township Mdantsane in Südafrika besuchte. Die Kanzel: schlecht gemauerte Backsteine, aufeinander getürmt; der Fußboden: unebener Beton, rostbraun angepinselt. Und doch wandelte sich ihre Wahrnehmung, als die Gemeinde das Gotteshaus füllte, um in der ihr eigenen afrikanischen Weise Christus zu loben. Mit Gospels, die die Jugendlichen mit mir sangen, mit „Großer Gott wir loben Dich“ auf Xhosa… Der erste Blick des „Ist kein Gott drin“ veränderte sich angesichts der Herzlichkeit, des miteinander Lachens, Tanzens und Lobsingens. Ich frage mich, wie ergeht es den Menschen, die in unsere Kirchen kommen? Sehen sie die Dorfkirchen, die manchmal mit Mühe geflickt werden, oder erleben sie die Heiligkeit in unseren Gottesdiensten? Ganz konkret fragte ich mich das, als mich letzte Woche die zukünftigen Vikare in meiner Gemeinde besuchten und dabei die Spinnweben im Glockenstuhl, die Spuren des Holzwurms im Kirchengestühl und das alte Dach des Kirchturms sahen.
Und doch: Für mich war die Heiligkeit unseres dreieinigen Gottes am Pfingstsonntag in genau dieser Kirche spürbar: Als einer meiner Konfirmanden, der unter einer schweren Form des Autismus leidet und nur über ein Tablett mit Buchstabenkarten kommunizieren kann, auf die Frage, ob er konfirmiert werden will, nach und nach die Buchstaben „JA MIT GOTTES HILFE !“ zog. Die Gemeinde war so berührt, dass sie spontan Beifall klatschte. Entgegen allem Anschein war in ihm die Sehnsucht zu diesem Bekenntnis gereift, und es gab viele, die vom Äußeren allzu schnelle Rückschlüsse gezogen haben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Heiligkeit unseres Gottes auch in kleinen Dorfkirchen entdecken.
Unser Autor
Johann Riedel
ist Pastor in Gülzowshof, Mecklenburg-Vorpommern.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.