„Da entsteht etwas ganz Neues“
Am „Coffee-Bike“, einem Fahrrad mit eingebauter Kaffeebar, herrscht ein bisschen Gedränge, denn der Kaffee ist echt gut. „Magdacino“ nennt sich das Projekt der Evangelischen Kirchengemeinde Drais-Lerchenberg in Mainz. Mit dem Rad fahren Mitarbeiterinnen der Gemeinde auf Spielplätze oder in den Stadtteil. „Wir merken: Da entsteht etwas Eigenes, etwas ganz Neues, wie eine neue Gemeinde“, sagt Pfarrer Christoph Kiworr. Die Gemeinde hat ihr Projekt am Samstag auf der Ideenmesse der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Gießen präsentiert. Etwa tausend Besucherinnen und Besucher holten sich dort an 85 Ständen Ideen für ihre Arbeit in den Gemeinden.
Die Maria-Magdalena-Gemeinde Drais-Lerchenberg kaufte das Fahrrad vor zwei Jahren. Während die Kinder spielen, kommen die Eltern beim Kaffee ins Gespräch. Zur Gemeinde gehören zwei fest angestellte Familienbegleiterinnen, die unter anderem Beratungsangebote machen. Der Kaffee ist kostenlos. „Unsere Mission dahinter ist: Hier sind alle willkommen, hier sollst du erleben, dass du Gast bist“, sagt Pfarrer Kiworr.
Die Evangelische Kirchengemeinde Hattersheim probiert etwas Ähnliches aus. „Fromme Fritten“ nennt sie ihr Projekt. Vikar Philipp Raekow, ein gelernter Gastronom, brachte die Idee in die Gemeinde. Mit einem umgebauten alten Fiat Ducato, der mal ein Hähnchengrill war, fuhr er in die Siedlung Hattersheim. Er bot Pommes, Kaffee und Kuchen an, die Gemeinde feierte eine kleine Andacht. Abends brachten muslimische Anwohner Essen vorbei, wie Raekow erzählt.
Auf einem Tisch liegen kleine Holzscheiben, Besucher können ihren Namen darauf schreiben. Davor stehen Figuren aus Lehm, ein Körbchen mit Wolle, ein Biotop im Glas: alles Dinge, die aus den „KinderReich“-Gottesdiensten in Bad Vilbel stammen. Viermal im Jahr kommen samstags zwischen zwanzig und achtzig Kinder zusammen, erzählt Pfarrerin Irina Vöge. Sie feiern die Gottesdienste im Wald, auf einer Wiese, auf dem Bauernhof, beim Imker oder in den Kirchen, spielen Theater, basteln mit nachhaltigen Materialien und essen zusammen.
Die Kirchengemeinden in Bad Vilbel sind mit insgesamt vier Ständen auf der Ideenmesse in den Gießener Messehallen vertreten. Der Nachbarstand stellt ein Geburtstagsgruß-Projekt vor: Unter anderem zum 10. oder zum 18. Geburtstag verschicken sie Grußkarten mit Motiven aus der Region, etwa vom Vilbeler Markt. Die Leute fänden das gut, berichtet Pfarrer Jürgen Seng, und manchmal entwickele sich daraus ein Gespräch: „Sie haben mir ja zum Geburtstag geschrieben!“
Von einem Stand klingen Vogelrufe herüber. Die Gießener Petrusgemeinde hat in ihrem Kirchturm zwanzig Nistplätze für Mauersegler eingerichtet, weitere zehn sollen hinzukommen. Fünf bis sechs Pärchen nisten bereits in den kleinen viereckigen Fenstern des 43 Meter hohen Kirchturmes. Oben auf dem Dach wartet ein Nistkasten für Wanderfalken auf den ersten Gast. „Man braucht Geduld, es kann zehn Jahre dauern, bis einer kommt“, sagt Volker Klingmöller, auf dessen Initiative hin die Nistkästen entstanden.
„#NextGeneration“ lautete das Motto der Ideenmesse, an der auch die Leitungsspitze der EKHN sowie die Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, teilnahmen. Beim Bühnenprogramm erhielten vor allem junge Menschen eine Stimme, etwa Vertreterinnen und Vertreter der Jungen Kirche Gießen: Jugendliche bauten für sich die Lukaskirche in der Stadtmitte um – gemütlich, hell und einladend. Sonntags, erzählt Teamleiterin Laura Leonhardt, kommen 50 Leute zum Brunch-Gottesdienst, feiern, essen, hören Musik.