Correctiv: Eine Million psychisch kranker Flüchtlinge

Rund eine Million Asylsuchende in Deutschland leiden laut einer Untersuchung unter posttraumatischen Belastungsstörungen oder Depressionen. Forschungsergebnisse etwa der Universitäten Mannheim und Bielefeld zeigten, dass 30 Prozent der Schutzsuchenden im Land an posttraumatischen Belastungsstörungen und 40 Prozent an Depressionen erkrankt seien, wie das Recherchenetzwerk Correctiv am Mittwoch berichtete. Nur ein Bruchteil von ihnen erhalte aber eine Therapie.

Das seien die Ergebnis einer mehrmonatigen Recherche, teilte Correctiv mit. Damit werde ein systematischen Missstand aufgedeckt, der eine Integration der Betroffenen erschwere oder behindere. In einigen Fällen stelle er auch ein gravierendes Sicherheitsrisiko dar.

Behörden hätten etwa im Fall Brokstedt versagt und ein Gefährdungspotenzial des Täters, eines Asylbewerbers, nicht erkannt. Der Palästinenser hatte im Januar in einem Regionalzug in Schlewsig-Holstein zwei Menschen erstochen und weitere schwer verletzt. Laut dem Recherchenetzwerk hatte er zuvor einen Antrag auf Psychotherapie gestellt. In den meisten Fällen würden die Betroffenen aber vor allem zum Risiko für sich selbst: Viele nähmen sich das Leben, andere vernachlässigten aufgrund ihrer Krankheit ihre Kinder.

Der Grund für die Versorgungslücke ist den Recherchen zufolge, dass Bund, Länder und Kommunen zu wenig Geld zur Verfügung stellen, um psychische Krankheiten bei Asylsuchenden zu entdecken und sie zu behandeln. Besonders groß sei das Defizit demnach bei den Bundesländern. Diese sind als Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen laut geltendem EU-Recht dafür verantwortlich, alle Neuankömmlinge auf ihren Gesundheitszustand hin zu untersuchen – und zwar ausdrücklich auch auf ihren psychischen Zustand hin. Eine Abfrage von Correctiv bei den Bundesländern habe jedoch ergeben, dass diese Untersuchungen so gut wie nie stattfänden. Zudem stünden für eine Behandlung kaum Plätze zur Verfügung.