Christstollentest im Mai? Stiftung Warentest vor 60 Jahren gegründet
Stützstrümpfe, Partnervermittlungen, Lebkuchen: Die Stiftung Warentest testet seit 1964 alle Arten von Produkten und Dienstleistungen. Doch was passiert eigentlich danach mit den Produkten?
Welchen Küchen-Handrührer soll ich bloß kaufen? Auf dem historischen Foto in Schwarz-Weiß suggerieren zwei lächelnde Damen mit flottem 60er-Jahre-Haarschnitt und Handrührgeräten im Anschlag, dass diese Frage ab sofort kein Problem mehr ist – dank Stiftung Warentest. Das Bild illustriert das erste Heft der Verbraucherorganisation, die am 4. Dezember 1964 von der Bundesregierung gegründet wurde, mit Sitz in West-Berlin. Ziel war, den Verbrauchern in der noch jungen Marktwirtschaft Orientierungshilfe zu bieten. Neben Handrührgeräten wurden für das erste “test”-Heft im Jahr 1966 Nähmaschinen geprüft. Es hatte eine Auflage von rund 200.0000 Exemplaren und kostete 1,50 DM.
60 Jahre später kennen 96 Prozent aller Deutschen laut Umfragen die Stiftung Warentest. 74 Prozent haben großes oder sogar sehr großes Vertrauen in die Arbeit der Stiftung. “Das liegt daran, dass wir so penibel sind”, sagt die derzeitige Vorständin Julia Bönisch. “Bei Stiftung Warentest ist Pingeligkeit etwas Gutes.” Vergleichbare Verbraucherorganisationen existierten in allen großen Industrienationen – außer in Japan. Dort gebe es eine kulturelle Hürde: “Öffentliche Kritik wäre dort undenkbar.”
Stützstrümpfe (1971), Blockflöten (1984), Partnervermittlungen (1988), Drogenberatungsstellen (1994) oder Blue-Tooth-Kopfhörer (2024): Bis Ende 2023 hat die Stiftung Warentest 6.499 Produkttests durchgeführt. Hinzu kommen noch zahlreiche Dienstleistungstests.
Das Prinzip sei dabei immer gleich, heißt es auf der Website in einem Erklärfilm: Die Stiftung bestimmt allein, was sie testen möchte, “sie lässt sich nichts zuschicken und nimmt auch kein Geld von Unternehmen”. Anonyme Einkäufer erwerben die Testprodukte demnach im ganz normalen Handel. Dienstleistungen wie etwa Banken oder Versicherungen werden verdeckt unter die Lupe genommen. Danach kommen die Produkte ins Labor, werden “nach wissenschaftlichen Methoden in unabhängigen Prüfinstituten” getestet und in Schulnoten von sehr gut bis mangelhaft bewertet. Geprüft wird demnach auch regelmäßig, ob die Unternehmen sozial und ökologisch produzieren.
Die Organisation finanziert sich größtenteils durch den Verkauf ihrer Hefte und Bücher sowie durch den Internetauftritt. Seit 2024 bekommt sie vom Staat keine Zuwendung mehr.
Doch wonach wird ausgesucht, was getestet wird? “Wenn wir Dinge nicht testen, liegt es meist an zu hohen Untersuchungskosten”, sagt Bönisch. Da alle Test-Objekte erst einmal normal im Handel erworben werden müssen, könnten etwa Fertighäuser nicht geprüft werden – das sei einfach zu teuer. Auch Alkohol oder Zigaretten teste die Organisation aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr.
Im Laufe der Jahre hätten sich die Tests professionalisiert, sagt Bönisch. Früher habe die Stiftung Warentest etwa für Staubsaugertests vor Berliner U-Bahn-Stationen Teppiche ausgelegt und diese dann am Ende des Tages abgesaugt. “Heute stellt das Prüflabor sogenannten Normstaub her, der dem entsprechen muss, was zu Hause an Dreck so produziert wird – inklusive Hautschuppen und Haaren.”
Vor besonderen Herausforderungen stünden die Mitarbeiter regelmäßig beim Test von Saisonware, erklärt Bönisch. “Zu Weihnachten wollen wir in unseren Testheften weihnachtliche Lebensmittel anbieten. Dafür brauchen wir Vorlauf. Im Mai bekommen wir aber noch keinen Christstollen. Das stellt uns vor logistische Herausforderungen.”
Beschwerden gebe es regelmäßig von Unternehmen, wenn sie bei den Tests nicht so gut wegkommen, wie sie es gerne hätten. “Wir können aber immer gut belegen, was wir gemacht haben”, so Bönisch. Einen Aufreger gab es im Jahr 2004, als die Stiftung Warentest eine Hautcreme-Serie von Uschi Glas testete – und einige der Probandinnen Hautausschlag bekamen, so dass der Test abgebrochen werden musste. Auch seitens der Kunden gibt es manchmal Kritik: wenn zum Beispiel die liebste Tiefkühlpizza beim Test gar nicht dabei war.
Und was passiert mit all den Produkten, die die Stiftung Warentest erwirbt, wenn der Test gelaufen ist? Sie werden öffentlich versteigert, vier bis sechs Mal im Jahr. Besonders bei elektrischen Produkten – und seien es Dunstabzugshauben – gebe es einen regelrechten Run. “Ein Geheimtipp ist das nicht mehr”, so die Vorständin. Nur kleinere Dinge wie etwa Zahnpasta oder Kartoffelchips kommen nicht unter den Hammer – “die fünf Tüten, die vom Testen übrig waren, haben wir dann bei uns im Haus zum Mitnehmen ausgelegt”.