Chilenen lehnen neue Verfassung ab

Zum zweiten Mal haben die Menschen in Chile einen Entwurf für eine neue Verfassung abgelehnt. Am Sonntag (Ortszeit) stimmten in einem Referendum 55,8 Prozent gegen den Entwurf, wie die Nationale Wahlbehörde nach Auszählung von rund 99 Prozent der Stimmen mitteilte. 44,2 Prozent votierten für den neuen Verfassungstext. Linke Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen hatten für die Ablehnung geworben, da der Text nach ihrer Überzeugung einen Rückschritt darstellte. Für die rund 15,4 Millionen stimmberechtigten Chilenen war die Teilnahme an dem Referendum obligatorisch.

Präsident Gabriel Boric kündigte an, dass er keinen dritten Anlauf für eine neue Verfassung unterstützen werde. Es gebe andere Dringlichkeiten, sagte er laut der Tageszeitung „La Nacíon“. Den neuen Verfassungstext hatte ein eigens gewählter Verfassungsrat erarbeitet, in dem konservative Vertreter die Mehrheit hatten. Damit sollte die noch aus der Pinochet-Diktatur (1973-1990) stammende Verfassung ersetzt werden.

Kritiker wie Boric und Mitglieder der Regierung bemängelten, dass der Sozialstaat in dem neuen Entwurf nicht geschützt werde. Das private Bildungs-, Gesundheits- und Rentensystem werde weiter zementiert, kritisierten sie. Ebenfalls von ihnen abgelehnt wurde ein Passus über die Umwandlung von Haftstrafen in Hausarrest. Sie befürchteten, dass so Militärs freikommen können, die wegen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur-Zeit inhaftiert sind. Auch eine Liberalisierung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch wurde in dem Entwurf abgelehnt. Chile gehört zu den Ländern Südamerikas mit einem strikten Abtreibungsverbot.

Im vergangenen Jahr hatte das südamerikanische Land bereits einen Anlauf für eine neue Verfassung unternommen. Damals lehnte überraschend eine deutliche Mehrheit der Chilenen in einem Referendum den vorgelegten Entwurf ab, weil sie viele Änderungen für zu weitgehend hielten. In dem Verfassungskonvent hatten noch linke Parteien eine Mehrheit. Eine neue Verfassung war eine der Hauptforderungen der sozialen Proteste aus dem Jahr 2019.

Jetzt gilt die aus dem Jahr 1980 stammende Verfassung weiter. Die Aufgaben des Staates sind darin auf ein Minimum reduziert.