Chaos an Mexikos Südgrenze

Immer mehr Menschen geraten im Grenzgebiet zwischen Mexiko und Guatemala zwischen die Fronten eines Drogenkriegs. Die Kirche schlägt Alarm, Guatemala nimmt fliehende Familien auf.

Der Blick der Weltöffentlichkeit richtete sich zuletzt vor allem auf die Nordgrenze Mexikos zu den USA. Das Thema Migration dominiert derzeit den US-Präsidentschaftswahlkampf zwischen Kamala Harris und Donald Trump. Doch auch im Süden Mexikos spielen sich dramatische Szenen ab. Ganze Dörfer geraten zwischen die Fronten von Kämpfen rivalisierender Drogenbanden. Hunderte Menschen sind über die Grenze nach Guatemala geflohen, um sich vor der Gewalt in Sicherheit zu bringen.

“Die Situation ist verzweifelt, es ist sehr schwierig, so zu leben”, beschrieb der frühere Bischof der Diözese Tapachula, Jaime Calderon, die Situation im Konfliktgebiet. Kirchenvertreter berichten, dass Menschen von den bewaffneten Banden als “Schutzschilde” benutzt würden. Die eskalierende Lage führte dazu, dass Ende Juli, Anfang August mindestens 600 Menschen aus dem mexikanischen Grenzgebiet nach Guatemala flohen. In einer ersten Reaktion sorgten die Behörden in Guatemala für eine Erstversorgung der Flüchtlinge und stellten humanitäre Visa in Aussicht.

Hintergrund ist der anhaltende Kampf der Kartelle Sinaloa und CJNG, die erbittert um die Vorherrschaft im Drogenhandel- und Menschenschmuggel kämpfen. Lokale Menschenrechtsverteidiger berichten, dass die mexikanischen Familien vor Ort von den Kartellen gezwungen würden, für sie zu arbeiten. Da die meisten das aber nicht wollen, versuchen sie, sich dem Zugriff der Kartelle zu entziehen. Die Flucht nach Guatemala ist ihr Ausweg.

Die Vorfälle an der Grenze sorgten auf höchster politischer Ebene für Unruhe. Die Regierungen Mexikos und Guatemalas vereinbarten, auf beiden Seiten der Grenze zeitgleiche Operationen sowohl in der Luft als auch auf dem Land zu starten, um die Sicherheit wiederherzustellen. Die Gesprächskanäle zwischen Mexiko-Stadt und Guatemala-Stadt sollen ständig offen bleiben. Für Ende August sei ein hochrangiges Treffen der sogenannten Sicherheitsgruppe Mexiko-Guatemala einberufen worden, heißt es in einer Erklärung beider Länder.

Der mexikanische Kardinal Felipe Arizmendi Esquivel berichtete jüngst, dass die kriminellen Gruppen versuchten, alle Ebenen des gesellschaftlichen Lebens zu durchdringen, bis hinein in kirchliche Pfarrgemeinden. “Wir haben uns an die Verfassungsorgane gewandt, um ihnen klarzumachen, was vor sich geht”, so Arizmendi. Daraufhin habe die Regierung Polizei und Soldaten an einige Orte geschickt, was vorübergehend geholfen habe. “Wir sind dankbar dafür, aber die illegalen Gruppen wurden nicht aufgelöst oder beseitigt.” Stattdessen setzten die skrupellosen Banden ihre Aktivitäten fort.

Mexiko leidet seit Jahren unter einem schweren Drogenkrieg. Der in wenigen Wochen aus dem Amt scheidende linkspopulistische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador hatte eigentlich die Befriedung des Landes durch eine neue Sicherheitsstrategie zu seiner Kernaufgabe gemacht. Doch mit mehr als 180.000 Gewalttoten verzeichnete die noch laufende sechsjährigen Amtszeit Lopez Obradors einen neuen Rekord.

Die mexikanischen Kartelle kontrollieren neben Drogenhandel und -produktion auch immer stärker den irregulären Bergbau sowie den grenzüberschreitenden Menschenhandel. Eine Berichterstattung über diese Themen insbesondere in lokalen Medien wird immer schwieriger und gefährlicher. In der Amtszeit Lopez Obradors wurden bislang 48 Journalisten ermordet. Die meisten hatten über die Kriminalität im Land berichtet.