Bundesverfassungsgericht: Zwangsräumung nur ohne akute Suizidgefahr

Eine wegen einer beabsichtigten Zwangsräumung akut suizidgefährdete Mieterin darf nicht auf die Straße gesetzt werden. Legt die Mieterin im Laufe des Zwangsvollstreckungsverfahrens ärztliche Atteste vor, dürfen Gerichte diese nicht „kleinlich“ ignorieren, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Im Zweifel müsse das zuständige Gericht ein ärztliches Gutachten zu den Gesundheitsgefahren einholen, die eine Zwangsräumung mit sich bringen würde, erklärten die Karlsruher Richter. (2 BvR 26/24)

Damit muss das Landgericht Köln erneut über die Zwangsräumung einer 83-jährigen Mieterin entscheiden. Der Vermieter hatte gerichtlich die Räumung und Herausgabe der Wohnung erstritten. Die Zwangsräumung wurde mehrfach verschoben, zunächst weil die Frau keinen Ersatzwohnraum finden konnte und dann, weil sie im Falle des Wohnungsverlustes eine akute Suizidgefahr geltend machte.

Das Amtsgericht machte ihr die Auflage, sich psychiatrisch behandeln zu lassen – auch mit dem Ziel, die Wohnungsräumung zu ermöglichen. Als ein erneuter Räumungstermin anstand, legte die Frau weitere Atteste über eine akute Suizidgefahr vor und führte aus, dass die bisherige Behandlung zu keiner Besserung geführt habe.

Ein erneuter Räumungsaufschub wurde abgelehnt. Die 83-Jährige habe genügend Zeit gehabt, sich durch ärztliche Behandlung um Besserung ihres Zustands zu bemühen, urteilte das Landgericht Köln. Auch die neu eingereichten Atteste hätten die Sachlage nicht geändert.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass damit das Recht der Klägerin auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt wurde. Zwar könne der Vermieter sich auf sein Eigentumsgrundrecht berufen. Bestehe aber wegen einer beabsichtigten Zwangsräumung eine mit ärztlichen Attesten festgestellte akute Suidzigefahr, müsse auf die Maßnahme vorerst verzichtet werden.

Bei der Bewertung der Gerichte, ob sich eine Sachlage mit der Einreichung neuer Atteste geändert habe, dürften sie nicht „kleinlich“ verfahren, stellten die Verfassungsrichter fest. Im Zweifel müsse ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die Suizidgefahr noch einmal prüfen.