Bürgerkrieg und Neujahr in Myanmar – Militärische Entscheidung?

Inmitten des eskalierenden Bürgerkriegs begehen Myanmars Buddhisten ihr Neujahrsfest. Die Junta ist in einen zermürbenden Mehrfrontenkrieg verwickelt. Ihre Armee erleidet eine Serie von Niederlagen.

Die zu Ende gehende Woche in Myanmar ist von Ereignissen geprägt, die kriegsentscheidend sein könnten – und die zunehmende Schwäche der Junta offenlegen. Mit Eroberung der letzten Stellung des Militärs übernahm der Widerstand am Anfang der Woche die wichtige Handelsstadt Myawaddy im Osten des Landes, an der Grenze zu Thailand.

Weiter nördlich im Unionsstaat Kachin eroberte der Widerstand laut Berichten myanmarischer Exilmedien den zentralen Zugang zu den Jade-Bergwerken in Hpakant. Der Abbau von Jade durch militärnahe Unternehmen ist für die Armee und die Junta ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Erstmals wurden in dieser Woche auch militärische Ziele in der Hauptstadt Naypyidaw mit Drohnen angegriffen.

Unterdessen bereitet sich in Rakhine im Westen die mächtige Rebellenmiliz Arakan Army (AA) offenbar auf den Sturm auf die Hauptstadt Sittwe vor. Der AA-Oberbefehlshaber, Twan Mrat Nain, forderte am 15. Jahrestag der Gründung der AA in dieser Woche die Einwohner von Sittwe und der wichtigen Hafenstadt Kyaukphyu auf, vor den „entscheidenden Kämpfen“ die Städte zu verlassen; das berichtet das Nachrichtenportal Myanmar Now.

Die Warnung Twan Mrat Nains sei auch als Ankündigung der AA zu verstehen, die vollständige Kontrolle über Rakhine übernehmen zu wollen. Rakhine ist der Zugang Myanmars wie auch Chinas zum Indischen Ozean; zudem Standort großer Infrastrukturvorhaben im Rahmen des chinesischen Megaprojekts „Neue Seidenstraße“. Ein Sieg der AA in Rakhine könnte laut politischen Beobachtern das Ende der Junta einläuten.

Einen weiteren schweren Schlag versetzte Singapur der Junta mit der Ankündigung, Waffenlieferungen über sein Territorium an das Militär von Myanmar unterbinden zu wollen. Damit habe der Stadtstaat auf Druck der Vereinten Nationen reagiert, berichteten asiatische Medien am Freitag. Der UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in Myanmar, Thomas Andrews, hatte 2023 dokumentiert, dass in Singapur ansässige Unternehmen drittgrößte Waffenlieferanten für das Militär und für dessen Beschaffung „entscheidend“ geworden seien. Laut UN-Angaben sind die größten Waffenlieferanten der Junta Russland und China.

Nach dem „Thingyan“ genannten Neujahrsfest in Myanmar (12. bis 16. April) tritt offiziell das neue Gesetz zur Zwangsrekrutierung aller jungen Männer und Frauen im wehrfähigen Alter in Kraft. Die Wehrpflicht gilt auch für die rechtlosen und in Ghettos in Rakhine internierten Angehörigen der Rohingya-Minderheit. Mit dem verpflichtenden Wehrdienst will die Junta immense Verluste ihrer Bodentruppen ausgleichen.

Der Bürgerkrieg in Myanmar ist auch eine große humanitäre Katastrophe. Mehr als 2,5 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben auf der Flucht. Die meisten sind Binnenvertriebene; aber Tausende versuchen, auch über die Grenzen nach Indien und vor allem nach Thailand zu fliehen. Thailands Regierung hatte in dieser Woche erklärt, das Königreich könne bis zu 100.000 Flüchtlinge aus Myanmar aufnehmen und versorgen. Sollten es aber mehr werden, sei Thailand auf internationale Hilfe angewiesen.

Obwohl die Junta und ihre Armee mit dem Rücken zur Wand stehen, wagen Sicherheitsexperten und myanmarische Medien noch keine Prognose über einen baldigen Sturz der Junta. Es herrscht unter politischen Beobachtern vielmehr weitgehende Einigkeit, dass die Junta versuchen wird, ihre Macht mit noch größerer Brutalität gegen die Zivilbevölkerung, Kirchen, buddhistische Klöster und Flüchtlingslager verteidigen zu wollen.

Drei Szenarien kursieren für das neue buddhistische Jahr: Die Herrschaft der Junta kollabiert; Myanmar zersplittert in Regionen, in denen entweder der Widerstand oder die Junta die Kontrolle ausübt; oder der Konflikt wird durch Verhandlungen gelöst.