Der Schatten: In dieser Ausstellung steht er im Scheinwerferlicht. Das Kunstmuseum Bonn zeigt ihn in der Kunst der Gegenwart, zum Beispiel in der Fotografie. Wer möchte, macht mit und spielt mit seinem eigenen Schatten.
Im Sommer ist er sehr willkommen: der Schatten. Was bei Hitze und Sonne wohltuend ist, hat zugleich eine dunkle Seite – und das nicht nur im Winter, wenn man sich umgekehrt nach Licht sehnt. Der Schatten kann bedrohlich, unheimlich und geheimnisvoll wirken. Dabei hat er durchaus auch eine spielerische Komponente.
Die unterschiedlichen Facetten zeigt jetzt das Kunstmuseum Bonn unter dem Titel “From Dawn till Dusk. Der Schatten in der Kunst der Gegenwart”. Zu sehen sind unter anderem Fotografien, Installationen und Schattenspiele, die teilweise interaktiv sind.
Olafur Eliasson zum Beispiel nimmt Besucherinnen und Besucher mit in sein Kunstwerk hinein. Wer sich vor Scheinwerfern bewegt, kann die eigenen Schattenumrisse beeinflussen: in Größe und Überlagerungen etwa. Hier werden Selfies gemacht, immer wieder experimentieren Besucherinnen und Besucher mit dem Licht und den Abständen im Raum.
Andere Schattenspiele huschen über Wände, drehen sich wie ein Karussell oder lassen eine kleine Figur Kunststücke auf einer Lampe machen. Nicht immer sind diese Schattenspiele heiter: Kara Walker widmet sich in bewegten Bildern der Sklaverei, wobei sich hier eine schwarze Frau den Weg in die Freiheit erkämpft.
Ohnehin geht es in den sechs Kapiteln der Ausstellung auch politisch zu. So werden “gesellschaftliche Schattenexistenzen”, Ausgegrenzte und Unsichtbare thematisiert. Darüber hinaus werden die Mythologie des Schattens aufgegriffen, das Verhältnis von Schatten und Tod sowie die Eigenschaft des Schattens, seinem Körper immer ein Stück voraus zu sein.
Mit der Technik der Fotografie setzt sich Thomas Ruff auseinander. Er scannte die Positive von Bildern und verwandelte sie digital zu Negativen, wie die Macher der Schau erklären. “Mit neuen Methoden der digitalen Fotografie ahmte er den analogen Prozess umgekehrt nach.” Die bläulichen Bilder sind zunächst rätselhaft und die Motive oft erst auf den zweiten Blick erkennbar.
Gegenüber hängt der großformatige “Tote Fotograf” an der Wand. Es ist ein Selbstbildnis des Künstlers Jürgen Klauke aus einer Serie, in der er Röntgenstrahlen verwendete, um Bilder zu produzieren. Klauke hat eine gekrümmte Körperhaltung, hält eine Kamera – und scheint von den Röntgenstrahlen komplett durchdrungen.
“Der Schatten hat es nie wirklich geschafft, aus seinem Schatten zu kommen”, erklärte der Intendant des Kunstmuseums, Stephan Berg, zur Eröffnung der Ausstellung. Sie ist seine letzte Schau, bevor er Abschied nimmt vom Museum am Rhein. Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) sagte, dass es bundesweit bisher keine zusammenfassende Ausstellung über den Schatten gegeben habe.
“Das Geheimnisvolle, Unheimliche begleitet den Schatten über Jahrhunderte”, so die Ausstellungsmacher. Dies verändere sich erst in der Romantik. Zu einem zentralen Bildelement werde der Schatten vor allem mit der Erfindung von Fotografie und Film in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Ausstellung konzentriert sich auf Werke des 20. und 21. Jahrhunderts bis in die jüngste Gegenwart.
Insgesamt 40 Werke zum Schatten in seinen vielen Facetten – von melancholisch über unheimlich bis spielerisch – zeigt das Kunstmuseum bis zum 2. November. Also bis in eine Zeit hinein, in der der Mensch wieder aufs Licht erpicht ist, ohne das es allerdings keinen Schatten gibt. Weil das so ist, versinkt die Ausstellung keineswegs in Düsternis und greift beide Seiten auf: das Helle und das Dunkle.